Joachim,
mein Onkel 4. Grades", von seiner Frau Ingeborg (Minouccina)
liebevoll Gioacchino" genannt, wurde 1909 in Barmen geboren.
Sein Vater war als praktischer Arzt bis 1943 in Wuppertal tätig
und übte nach der Zerstörung seines Hauses durch Kriegseinwirkung
seine Praxis im Westerwald aus.
Joachim
besuchte zunächst eine Knabenvorschule seiner Heimatstadt und
ab 1919 neun Jahre lang das humanistische Gymnasium. Schon sehr
früh wußte er, daß er Arzt werden wollte. So studierte
er in Kiel, Rostock, Innsbruck und Bonn, wo er 1933 das ärztliches
Staatsexamen und seine Promotion zum Dr. med. ablegte.
Seine
weitere Ausbildung und Berufstätigkeit führten ihn nach
Schneidemühl/Westpreußen und Danzig. Im August 1939 wurde
Joachim eingezogen und machte den Feldzug in Polen als Sanitäts-Offizier
in einen Feldlazarett mit. Nach Beendigung dieses Feldzuges wurde
er mit dem Aufbau und der Leitung einer Städtischen Frauenklinik
in Bromberg/Westpreußen betraut und erhielt dadurch die seltene
Gelegenheit, mit 30 Jahren und als einer der jüngsten Chefärzte
in Deutschland sehr frühzeitig umfangreiche weitere selbständige
Erfahrungen auf seinem Fachgebiet zu sammeln.
Während
seiner ganzen Ausbildungszeit und seiner Bromberger Tätigkeit
gehörte er weiterhin der Medizinischen Akademie in Danzig an,
an der er sich 1944 habilitierte und eine Dozentur erhielt. Im November
1944 wurde er erneut als Sanitäts-Offizier zur Luftwaffe eingezogen
und geriet bei der Kapitulation in russische Kriegsgefangenschaft,
aus der er sich mit einem selbstgefertigten Entlassungspapier entließ"
um anschließend auf abenteuerlichen Wegen in den Westen zu
gelangen. Dort fand Joachim seine Familie in Reinbek/Holstein wieder,
eröffnete eine Praxis und bekleidete seit 1947 die Stelle eines
Chefarztes an der Gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung
des Kreiskrankenhauses Stormarn in Bad Oldesloe.
Seit
1959 hatte er einen Lehrauftrag für gynäkologisch-geburtshilfliche
Röntgendiagnostik an der Universität Kiel inne.
Joachim
war erster Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Internationalen
Seminars für ärztliche Fortbildung" und wurde 1964
Mitglied des Internationalen Chirurgen College" mit Sitz
in Chicago. 1973 erhielt er den Prix Madeleine Rousseau"
für seine Verdienste auf dem Gebiet der Farbenpsychologie.
Hier hatte er über die Methoden, Patienten auch farbenpsychologisch
zu beurteilen, mehrere wissenschaftliche Abhandlungen veröffentlicht.
1981
erhielt Joachim das Großkreuz der italienischen Akademie
für ökonomische und soziale Entwicklung". Noch 85-jährig
wurde er in die New Yorker Academy of Science, der Wissenschaftler
aus 150 Staaten, darunter 40 Nobelpreisträger, angehören,
aufgenommen. Gleichfalls wurde dem Gynäkologen die Ehrenmitgliedschaft
in der Internationalen Vereinigung zum Schutz des Lebens"
angetragen. Joachim hinterließ mehr als 100 wissenschaftliche
Abhandlungen und Aufsätze.
Aus
seiner ersten Ehe stammte ein Sohn, der noch zu Lebzeiten des Vaters
verstarb. Im Alter beschäftigte sich Joachim intensiv mit der
fortgesetzten, vollständigen und bewußten Wahrnehmung
des gegenwärtigen Moments ohne eigene urteilende Beteiligung"
innerhalb des Zen-Buddhismus.
Mit
Dankbarkeit denke ich an die schönen Wochen in Minouccinas
Haus in der Toskana zurück, in dem wir manche Stunde miteinander
philosophierten, und wo er - schon über 90jährig - mich
bei Sophies Welt", einem Philosophie- und Wissensspiel,
um Längen schlug.
Schließen
wir dieses Gedenken an Joachim Erbslöh mit seinem für
ihn so typischen Wahlspruch aus der Feder Goethes:
Tätig
zu sein, ist des Menschen erste Bestimmung, und alle Zwischenzeiten,
in denen er auszuruhen genötigt ist, sollte er anwenden, eine
deutliche Erkenntnis der äußerlichen Dinge zu erlangen,
die ihm in der Folge abermals seine Tätigkeit erleichtert."
Quellen
Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender, München
2005
Familienverband Erbslöh Wuppertal, Archiv
|