Aufgefordert
von meinem hochverehrten Freunde, dem verdienstvollen Herausgeber
dieser fortgesetzten „Hessischen Schriftsteller-Geschichte," auch
meinen Namen in diesem Werke nicht fehlen zu lassen, ergreife ich
die Feder, um wenigstens einige Züge aus meinem einfachen und
doch vielbewegten Leben aufzuzeichnen, die vielleicht von allgemeinerem
Interesse seyn dürften.
Ich
wurde zu Eisenach im Jahre 1781 am 15. April (dem ersten Ostertage)
geboren. Meine Eltern waren aus dem Bürgerstande. Der Vater,
ein ausgezeichneter Geometer, eine Zeitlang als Unter-Steuer-Beamter
im Thüringischen angestellt, bei beschränkten Vermögens-Umständen,
unruhigen und ängstlichen Sinnes, verließ Deutschland,
um in holländischen Diensten ein besseres Glück zu suchen,
und starb, wenige Jahre darauf, als Schiffslieutenant, in Surinam.
Die Mutter, eine gemüthvolle, durch Verstand und Herzensgüte
höchst achtungswerthe, von frühen Leiden niedergebeugte
Frau, war nicht zu bewegen gewesen, ihrem Manne in's Ausland zu
folgen. Durch unermüdeten Fleiß in weiblichen Arbeiten
(sie gönnte sich kaum einige Stunden Schlaf) erhielt sie ihr
kleines Hauswesen; wendete Alles an die Erziehung ihrer Kinder;
war ihnen ein rührendes Muster strenger Rechtschaffenheit und
heiterer Frömmigkeit und starb, zufrieden, sie versorgt zu
wissen, noch in ihren mittleren Jahren bei dem jüngsten Sohne,
beim jetzigen Weimarischen Steuerbeamten, Karl Schreiber, in Ostheim.
Ihr Andenken ist uns heilig und unvergeßlich!
Durch
die Güte edeldenkender Anverwandten wurde mir frühzeitig
ein sorgfältiger Unterricht zu Theil. Der Wunsch meiner Mutter
bestimmte mich als Kind schon zum geistlichen Stande. Ich wäre
gern etwas anderes, am liebsten ein herumschweifender Musiker geworden.
Das Stillleben eines Landpredigers schien für meine frühlebendige,
fast etwas zügellose Phantasie kein anziehendes Ideal zu seyn;
ich segne aber jetzt, in der Reife männlicher Jahre, jenen
Entschluß; da ich mir, ohne Selbstgefälligkeit, sagen
darf, gerade durch diesen Stand an Charakterfestigkeit gewonnen
und in meinen Verhältnissen als Prediger und Ephorus manches
Gute gewirkt zu haben.
Im
zwölften Jahre (viel zu früh! doch steht der Tag noch
hell wie Morgenroth vor meiner Seele;) wurde ich konfirmirt, und
aus dem Privat-Unterrichte auf das berühmte Hennebergische
Gymnasium zu Schleusingen geschickt. Treffliche Lehrer, besonders
der (auch als Schriftsteller sehr ausgezeichnete) Professor, Albrecht
Georg Walch (1),
gaben sich viele Mühe mit dem kleinen Wildlinge. Unter meist
älteren Kommilitonen sitzend spornte mich der Fleiß derselben
und der Ernst der aufsehenden Lehrer an, meinen natürlichen
Hang zu romantischen Streifereien, und zu jugendlichem Muthwillen
(2)
etwas
einzuschränken, und meinen Studien eifriger obzuliegen. Ich
gewann die Gunst meiner Lehrer; doch schien der strenge, geistig
und körperlich gewichtige Walch (in seinem Erziehungseifer
oft ein wahrer Jupiter tonans) nur selten ganz mit mir und Anderen
zufrieden zu seyn. Dann war aber auch schon sein belobendes Schweigen
ein stimulus divinus für uns. Ein geistvoller Erklärer
der alten Classiker, besonders des Horaz und Virgil's, seiner Lieblinge,
wußte W. unter seinen Schülern das poetische Talent,
wo es irgend vorhanden war, zu wecken und zu pflegen; und Mehrere
von ihnen werden sich noch mit Vergnügen ihres „Versbüchleins"
erinnern, in welches von Zeit zu Zeit deutsche, lateinische, selbst
griechische Gedichte, in bunter Reihe niedergeschrieben werden mußten;
die dann der alte Aristarch bei trefflicher Correktur mit seinen
Belobungs- oder Verdammungs-Dekreten bezeichnete. Wenn aus solchen
Uebungen eben auch nicht lauter Dichter hervorgehen; denn
der Dichter wird geboren: So sollten sie doch auf keiner höheren
Schule vernachlässigt werden; da sie den Sinn für das
Erhabene und Schöne am sichersten entwickeln, und - wenn nicht
klassische Autoren, doch klassische Leser bilden,
an welchen überall kein Ueberfluß ist.
Mit
Kenntniß der Sprachen, den Anfangsgründen der Philosophie
und Geschichte, so wie der Musik (unter Leitung des würdigen
Kantors Stäps; dessen kirchliche leider! ungedruckt gebliebene
Compositionen als Meisterwerke in ihrer Art gehört wurden)
ziemlich ausgerüstet, bezog ich im 18. Lebensjahre (wieder
wohl zu früh) die Universität Jena. Hier verbreitete in
allen Fächern der Wissenschaften ein Verein der glänzendsten
Geister seine wohltätigen Strahlen; ein Griesbach (3),
Paulus (4),
Niethammer, Augusti (5)
u. A. in der Theologie; Fichte (6)
und Schelling (7)
in der Philosophie; Hufeland (8),
Loder und Starke in der Medizin; Schütz (9)
und Eichstädt (10) in
der Philologie, neben so vielen anderen gleichzeitigen rühmlich
bekannten Gelehrten; während in dem benachbarten Weimar unter
Karl Augusts günstigem Schutz noch alle Heroen der deutschen
Literatur und Kunst zusammenlebten und wirkten.
Anreiz
genug für ehrliebende und wißbegierige Jünglinge,
nicht blos in den Hörsälen, sondern in dem wissenschaftlichen
Leben und Treiben jener - noch von keinen politischen Stürmen
getrübten - Zeit zu höherer Bildung und Wirksamkeit sich
empor zu arbeiten.
Die
Universitätszeit wurde zu theologischen, philosophischen und
philologischen Studien fleißig, doch nicht umfassend, von
mir benutzt; es fehlte, wie noch immer auf unseren Hochschulen,
an einer genaueren Aufsicht und väterlichen Leitung von Seiten
der Lehrer; und es mußte deßhalb in späteren Jahren
durch angestrengten Fleiß Vieles nachgeholt und ergänzt
werden. Die akademische Freiheit sollte man nie, wie es in manchen
katholischen Lehranstalten der Fall ist, ängstlich beschränken;
aber eine - mehr in's Einzelne gehende - humane Leitung und Begrenzung
derselben, in wissenschaftlicher und sittlicher Hinsicht, (die freilich
nur durch theilweise Umgestaltung unserer bisherigen Universitäten
möglich wäre,) scheint ein immer dringenderes Bedürfniß
zu werden. Möchten die Vorschläge, welche in dieser Beziehung
der ehrwürdige Stephani (11)
(in seinem noch immer nicht genug gewürdigten System der öffentlichen
Erziehung; Erlangen, b. Palm 1813) den Staatsregierungen längst
an's Herz legte, nach v. Massows Vorgang überall besser
beachtet und befolgt worden seyn!
Praktische
Anleitungen zum Predigen gab es damals in Jena noch nicht; hierin
ist man seitdem dort und anderwärts mächtig vorgeschritten.
Wenn dennoch auch aus jener Periode manche nicht ungeschickte Kanzelredner
hervorgingen, so muß es lediglich ihren natürlichen Anlagen
und ihrem Selbststudium zugeschrieben werden. Vor dem Fehler blieben
sie wenigstens bewahrt, der in guten Prediger-Seminarien nicht genug
vermieden werden kann, die Eigenheiten ihrer Vorbilder allzusehr
nachzuahmen; wodurch das Originelle, (auch in der äußeren
Darstellung, wenn es nicht an sich überwiegend hervortritt,)
und mit ihm das eigentlich Ansprechende und Herzgewinnende in der
Redekunst oft verlohren geht.
Außer
der lateinischen Gesellschaft, die unter Eichstädts meisterhafter
Leitung neu emporblühte, hielt ich mich noch zu einer deutschen,
die wir Musensöhne untereinander selbst gestiftet hatten; wo
prosaische und poetische Aufsätze, erstere über alle mögliche
- uns erreichbare - Zweige der Literatur und Kunst, gegenseitig
mitgetheilt, rezensirt und durchgesprochen wurden. Dies hielt uns,
ob wir gleich eben keine Abstemii von Commerçen, Spazierfahrten
und anderen geselligen Vergnügungen waren, von mancher Zeitverschwendung
ab, und ist sicher eins der besten Mittel gegen düstere politische
Umtriebe, welche die heitere Welt der Jugend gar nicht berühren
sollten.
Nach
Vollendung meiner akademischen Studien in Leipzig war ich eine Zeitlang
unschlüssig, ob ich dem Schul- oder Prediger-Fach mich ausschließlich
widmen sollte. Ein mächtiger Trieb erwachte in mir, die Welt
zu sehen, und durch Anschauung und Uebung allerlei noch fehlende
Kenntnisse mir zu erwerben. Doch ließ ich mich zuvor in meiner
Vaterstadt (Eisenach) examiniren (vor meinem Abgange zur
Akademie hatte mich Herder (12)
geprüft); und wurde in die Zahl der Candidaten des Predigeramts
aufgenommen. Da es mir an Mitteln fehlte, große Reisen zu
machen, so begnügte ich mich mit kleinen, und schweifte so
ziemlich einige Jahre in benachbarten größeren und kleineren
Städten und Dörfern umher; wo ich besonders bei Landpredigern,
die mich zuweilen predigen und katechisiren ließen, ein willkommener
Gast war. Ich bereue diese jugendlichen Streifereien, obwohl ich
sie mit einem ernsteren Studium hätte verbinden sollen, nicht;
sie haben mir das Leben, besonders in den niederen Ständen,
besser aufgeschlossen, als Bücher. Mein Hang zum Poetischen
und Idealen wurde dadurch genährt und befriedigt; und wie als
Kind, so als Jüngling kannte ich nichts Seligeres, als dem
freien Flug der Phantasie mich überlaßend, auf blühenden
Wiesen und unwegsamen Gebirgen umherzuschwärmen und etwa der
untergehenden Sonne so lange in's Auge zu schauen, bis das meinige
fast erblindete, und ein rosenfarbner Schimmer sich um meine ernsten
und fröhlichen Träume zog. Noch immer ist dieser Genuß
im Freien, wenn das Tagewerk oft ermüdender Geschäfte
vorüber ist, meine süßigste Erholung; und möchte
Keinen, dem, wie mir, auf dem Lande, so manche höhere Kunstgenüsse
großer Städte oft Jahrelang versagt bleiben, der Sinn
für die ewig neuen Reize der Natur, und für das Schöne
auch im häuslichen und ländlichen Leben, bis zum spätesten
Alter verlassen.
Doch
ich sollte auch die Kreise der größeren Welt kennen lernen.
Zwey meiner glücklichsten Jahre (von 1801 bis 1803) brachte
ich als Hauslehrer in der von Boyneburgschen Familie zu Weilar (nahe
bei Lengsfeld in dem reizenden Fuldathale, am Fuß der Rhöngebirge)
zu.
In
diesem wahrhaft edlen und allgemein verehrten Hause (13)
war Alles vereinigt, was den Geist und das Herz nähren und
erfreuen konnte; eine seelenvolle und gemütliche Unterhaltung;
würdige Beschäftigung, „die nie ermattet"; religiöser
Sinn, mit gleicher Neigung für alles Schöne der Natur
und Kunst verbunden; eine ausgesuchte Bibliothek, wissenschaftliches
Treiben, behaglicher Reichtum, und wohlthätige Wirksamkeit.
Zwei durch seltene Bildung und geistige Vorzüge ausgezeichnete
Gesellschafterinnen (Fräulein von Löbel und von Bose,)
so wie ein edler Emigrant, der hier sein Asyl gefunden (Chevalier
de Vernejoux (14)) , leiteten mit
mir das Geschäft der Erziehung hoffnungsvoller Söhne und
Töchter, die leider! nicht alle mehr am Leben sind.
Hier
erwachte stärker wieder mein Hang zur Poesie und Musik, welche
letztere mit dem vielseitig gebildeten Herrn des Hauses (15) -
in unseren täglichen Erholungsstunden - praktisch getrieben
wurde. Ich wurde zu schriftstellerischen Versuchen ermuntert, wozu
es schon vorher an Veranlassungen nicht gefehlt hatte. Einige Lieder
und musikalische Kompositionen wurden beifällig in Bekkers
Taschenbuch und in die Leipziger allgemeine musikalische Zeitung
aufgenommen. Eine - schon auf der Akademie, unter des trefflichen
Augusti Zustimmung begonnene - poetische Umschreibung der Offenbarung
Johannis (durch welche besonders dargethan werden sollte, daß
dieses - schwerlich Johanneische Werk ein sinnvolles, auf die damalige
Zeit berechnetes Poem, aber kein biblisches Lehrbuch sey) wurde
vollendet, und von Webel in Zeitz verlegt.
Vorzüglich
beschäftigte mich meine Harmonia, ein episch-musikalisches
Gedicht, das - bei allen Jugendfehlern der Form und des ungeregelten
Stoffs - doch einen Mangel an poetischer Erfindung und Darstellung
nicht verspüren ließ, und deßhalb vor dem Forum
der Kritik auch nicht werthlos erfunden wurde.
Indeß
würde ich, schon aus angeborner Schüchternheit, die Zahl
deutscher Poeten - (wenigstens im Druck und Buchhandel) - schwerlich
vermehrt haben (16); wenn nicht
Jean Paul Fr. Richter (17),
den ich unter allen Autoren majorum gentium am meisten verehrte,
und in Meiningen persönlich kennen lernte, mir bei der Zurücksendung
des Manuskripts der Harmonia geschrieben hätte: „die Muse bleibe
bei Ihnen. Ihre Fehler, die Sie verbessern können, habe ich
im Manuskripte mit ¬ bezeichnet; das Gute mit ±, das
Vorzügliche mit . Hier und da schillerisiren sie noch.
Auch ist die Zeichnung und nicht das Kolorit im Gemälde die
Hauptsache. Fahren Sie fort, auf die Zeichnung Fleiß zu verwenden,
und ich werde neuen Dichtungen von Ihnen mit Freude entgegensehen."
J. P. Fr. R. Ich war zufrieden, bei manchen heilsamen Strichen doch
auch nicht wenige und selbst mehrere zu erblicken, und bemühte
mich seitdem, bei meinen poetischen Schöpfungen mehr auf das
Bild, als auf die Farbe zu achten, und die noch so leuchtenden Fußtritte
jedes Meisters verlassend, wenn auch keine Sonnenbahn, doch meinen
eigenen Weg zu gehen, der wenigstens mich und so Manche meiner Zeitgenossen
durch Natur und Empfindung erfreute.
Doch
weder über meine damaligen noch späteren Poesien steht
mir ein gültiges Urtheil zu. Sie sind öffentlich viel
gerühmt und getadelt worden (18);
letzteres mit Recht, denn das Meiste, was ich von 1800 bis 1806
in meinem Jünglingsjahren geschrieben, was die Taschenbücher
jener Zeit, den Freimüthigen, und andere Tagesblätter
mit ausfüllte, und einen zufälligen Beifall fand, den
ich nicht ganz verdiente, leidet an Mängeln, die Niemand strenger
und entschiedener als ich selbst, zu würdigen weiß. Eine
Sammlung meiner lyrischen Versuche (im Jahre 1806, Berlin b. Fröhlich)
hätte daher noch unterbleiben sollen; sie enthält nur
sehr Weniges, was ich jetzt noch anerkennen möchte.
Wenn
dennoch große Meister, wie Wieland (19),
der als Greis dem 23jährigen jungen Manne ein rührendes
Vertrauen schenkte; Matthisson (20),
der in seine lyrische Anthologie die besseren Erstlinge meiner Muse
verlangte und aufnahm; und selbst Schiller (21),
den ich nur zweimal sah und sprach, und dessen hohe Gestalt und
himmlisches Auge ich nie vergessen werde, mich freundlich ermunterten:
so mögen einige spätere Leistungen, die im Morgenblatt,
im Cottaschen Almanach für Damen, und fanden in anderen damaligen
und jetzigen Journalen und Taschenbüchern ihren Platz, jene
günstige Meinung vielleicht rechtfertigen. Immer habe ich diese,
„zerstreuten Blätter" nebst einer Auswahl der früheren,
nach dem Wunsch edler Freunde sammeln, und in ein Ganzes vereinigen
wollen (22); aber ein meine
Zeit sehr in Anspruch nehmendes ernsteres Geschäftsleben, in
welches ich bald genug treten sollte, so wie eine gewisse Furcht,
den „Besten meiner Zeit" noch immer nicht genug zu thun, verhinderte
mich stets daran.
Eine
gerade nicht nachahmungswürdige Eigenheit meines literarischen
Treibens, die meine näheren Freunde wohl kennen, kann ich hierbei
nicht unerwähnt lassen.
Wenn
Bürger bekanntlich seine Gedichte sorgfältig und vielfach
abschrieb, sie wohl verwahrte und öfter feilte: so habe ich
dagegen kaum bei einigen dies über mich gewinnen können.
Vieles, und vielleicht nicht das Schlechteste, was ein günstiger
Augenblick in poetische Formen goß, ist gar nicht aufgeschrieben;
von Allem, was von mir gedruckt ist, besitze ich selbst schwerlich
einige Bogen, noch weniger das Manuskript. Ich erfreue mich in diesem
Stück (nicht in Geschäften) einer Art lyrischer Unordnung.
Ueberhaupt aber, wozu soll auch Alles, was der treibende Geist an
Blättern und Blüthen hervorbringt, gesammelt, und in der
Masse unserer Literatur mit aufgeschichtet werden? Genug, wenn es
den Augenblick würdig oder doch anmuthig ausfüllt! Jeder
ächte Musenjünger muß mit den herrlichen Worten
Göthe's sagen können:
„ich
singe, wie der Vogel singt,
der in den Zweigen wohnet." cc
Doch
ich fühle, von meinem anspruchslosen Dichter-Leben schon zu Viel,
wenn auch offenherzig gesprochen zu haben. Möchte es nur nicht
wie verstecktes und mir verhaßtes Selbstlob klingen. Den Schein
desselben wird, bei der Unvollkommenheit unserer menschlichen Natur,
freilich jede selbstbiographische Aeußerung, auch die ehrlichste
und bescheidenste, enthalten. Dies mag denn seyn; da es nie an Urteilsfähigen
fehlt, die früher oder später Alles auf seinen wirklichen
Werth oder Unwerth zurückzuführen wissen.
Ich
lenke zur weiteren Skizzirung meines Lebens ein, und will mich kurz
zu fassen suchen.
Von
1803 bis 1806 privatisirte ich in Eisenach. Hier wurde mir das Glück
zu Theil, mit einer der edelsten Frauen, und durch sie mit vielen
höchst interessanten Menschen jener bewegten Zeit bekannt zu
werden. Es ist die noch in hohem und blühend thätigem
Alter lebende Frau von Bechtolsheim, geborne von Keller (23) (24);
deren Haus der Sammelplatz der angesehensten, geistvollsten und
tugendhaftesten Personen, einheimischen und fremden, war. Ich will
nur Einige nennen, deren Erinnerung mir eben vorschwebt: Graf Narbonne;
Frau von Schardt; von Wollzogen; von Stael-Holstein; von Schlaberndorf;
Benjamin Constant; Herzog August von Gotha; Karl August und dessen
(nun auch verewigte) preiswürdige Gemahlin; Karl Friedrich,
der jetzt regierende Großherzog von Weimar, und dessen Gemahlin,
Maria Paulowna (die hochherzige Stifterin unserer patriotischen
Frauenvereine (25) und so vieler
wohlthätiger Landesanstalten); Herzog Bernhard von Weimar,
der spätere Minister; von Gersdorf; ... von Müller; von
Thümmel; Graf v. Schwendler; Amalia v. Imhof; Fouqué;
Rochlitz; von Müffling; Oberst (später General) von Dörnberg;
Graf von Thielemann; Horstig; der Amerikaner Aaron Burt, ehemaliger
Vizepräsident des Kongresses; von Kotzebue; Graf von Loeben;
von Trott; der Leipziger Erhard; der Dichter Ernst Wagner; die Gesandten
v. Campenhausen, v. Alopäus, Graf Keller; und so
viele andere durch Ruhm, Stand und Bildung ausgezeichnete Männer
und Frauen. Hier war die Schule des guten Geschmacks und Tons; der
Sage nach nicht unähnlich jenen geistreichen Pariser Cirkeln,
die vor der Revolution, und ehe sie selbst in Epikuräismus
ausarteten, die Hauptstadt zum Sitz der feinsten geistigen Genüsse
machten, und längst aus dem Leben, aber nicht aus der Geschichte
entschwunden sind. Grazie und Würde, Ungezwungenheit und Anstand
vereinigten sich in dem geselligen Kreise dieser gefeierten Frau,
den kein durchreisender Gelehrter (26),
kein Künstler, Welt- und Staatsmann von einiger Bedeutung vorbeiging.
Hier traf ein, was Frau v. Stael (27) (28)
einst sagte: „alle wahrhaft gebildete Menschen sind Landsleute."
Von der Verschiedenheit des Standes, der Confession, der Lebensweise
war hier keine Rede; Kunst, Wissenschaft und höhere Lebensweisheit
verknüpfte die heterogensten Geister; das Nationale selbst
verschwand auf der höheren Stufe der Humanität. Der bescheidene
Zutritt zu so Manchem, was hier Anziehendes gesehen, gehört
und erfahren wurde, war mir durch die Freundschaft der Frau von
B(echtolsheim) und ihres edlen Gemahls vergönnt; ich
habe mich für mein ganzes Leben daran gestärkt. Alles
Interessante wurde gelesen, beurtheilt, und was dem geistigen Streben
Reiz verleihen konnte, zur Anwendung gebracht. Ein Familientheater,
auf welchem das Möglichste versucht wurde, erheiterte alle
Kunstfreunde der Stadt und Gegend. Es fehlte nicht an musikalischen
declamations- und selbst theatralischen Uebungen. Die herrliche
Natur um Eisenach und die Wartburg gaben Stoff und Anreiz zu manchen
kleinen Dichtungen. Männer von Wissenschaft und Geschmack,
die in Eisenach stets gezählt wurden, wetteiferten miteinander
in gegenseitiger Belehrung und würdiger Unterhaltung.
Es
war eine schöne, für Geist und Gemüth genußreiche
Zeit; die leider ! durch den französisch-preußischen
Krieg und die politische Umgestaltung Deutschlands (1806-1809) auf
mehrere Jahre unterbrochen wurde.
Indeß
hatte ich, obwohl mit belletristischen Arbeiten aller Art beschäftigt,
meine ernsteren Studien nicht vernachlässigt. Neben den theologischen
zogen mich philosophische und geschichtliche Werke besonders an;
ich wollte wenigstens gründlich denken lernen, und auf meinem
Standpunkte mich orientiren. Nebenbei lieferte ich (wie noch jetzt)
für das Fach der Aesthetik und Moralphilosophie eine beträchtliche
Anzahl von Beurtheilungen größerer und kleinerer Werke
zur allgemeinen (Halleschen, Jenaischen und Leipziger) Literatur-Zeitung;
welchen Instituten ich ununterbrochen treu geblieben bin, so wie
zu anderen kritischen Journalen. Neigung und Nothwendigkeit bestimmten
mich, in Folge öfterer Aufforderungen meines verewigten Freundes
Härtel (29) in Leipzig,
gar manche treffliche Musikstücke, von Mozart, Haydn, Beethoven,
Paer u. A., denen entweder ein guter, aber ausländischer, oder
ein schlechter deutscher Text untergelegt war (der ärgste,
entsinne ich mich, war der zu Beethovens Oratorium, Christus am
Oelberge; ein monstrum von verrenktem Sprachwerk!), mit singbaren
deutschen Texten zu versehen; wohl auch ungedruckte lateinische
Messen (zum Theil vortreffliche Kompositionen) zu Kirchenstücken
und Oratorien für den protestantischen Cultus zu bearbeiten.
Nicht wenig, wiewohl kein sonderlicher Werth darauf zu legen ist,
dürfte ich seit einer Reihe von Jahren hierin geleistet haben,
und Härtel, der thätige Musikfreund und Verleger, war
in der Regel mit mir zufrieden. Eine große Anzahl von Rezensionen
musikalischer Werke und anderen Aufsätzen, die ich auf sein
Verlangen schrieb, befindet sich ebenfalls in seiner allgemeinen
musikalischen Zeitung, die späterhin nach mehr als 40-jährigem
Bestehen eingegangen und durch andere ähnliche Zeitschriften
ersetzt worden ist.
Ich
übergehe die schätzbaren, mehr und weniger dauerhaften,
Verbindungen, in welche ich, damals und später, theils persönlich
(in Leipzig, Weimar, Meiningen, Marburg, Dresden, Berlin u. a. O.),
theils durch literarischen Verkehr, mit so vielen hochverehrten Personen
des In- und Auslandes zu kommen das Glück hatte, und beschränkte
mich, aus dem zweiten Theil meines Lebens, der mehr der amtlichen
Wirksamkeit angehört, noch Folgendes herauszuheben.
Im
Jahr 1806 folgte ich, da meines ehrwürdigen Freundes und Gönners,
des Generalsuperint(endenten) Kindervaters, Wunsch, mich
als Gymnasial-Lehrer in Eisenach angestellt zu sehen, nicht der
meinige war, einem Rufe nach Lengsfeld (30),
als Oberpfarrer und geistliches Mitglied des dasigen Konsistorial-Amts.
Dieser Ort (nebst seinem Bezirk) hatte das eigene Schicksal, in
einem Zeitraume von 10 Jahren (von 1805 bis 1815) sechsmal unter
andere Landeshoheit zu kommen. Zuvor Reichsritterschaftlich (vor
Entstehung der Ritterschaft bald Würzburgisch, bald Fuldaisch)
gelangte Lengsfeld 1805 zu Kurhessen; dann zum Königreich Westphalen;
dann zum Großherzogthum Frankfurt; dann wieder zu Hessen;
dann an Preußen (mit Fulda, welches eine Zeitlang als ein
besonderes Preußisches Gouvernement verwaltet wurde) und endlich
(1816) an Weimar.
Während
ich für mein amtliches Geschäft, als Prediger und Schulaufseher,
im Praktischen überdieß noch unerfahren, genug zu thun
fand, und Alles aufbot, um einem ehrenvollen Vertrauen und einer
zuvorkommenden Liebe zu entsprechen, die mich noch jetzt, nach mehr
als 20jährigem (jetzt 46jährigem) Wirken, beglückt:
so bewogen mich schon jene politischen Verhältnisse, die in
mancherlei Art mich berührten, in meinen Nebenstunden mich
auch mit mehreren Zweigen der Staatslehre (31),
namentlich der Staats-Erziehungswissenschaft, zu beschäftigen.
Konnte
ich auch in meinem nicht sehr ausgedehnten Wirkungskreise keinen
sonderlichen Gebrauch davon machen: so möchte ich doch Jedem,
der auch nur als Prediger, als Kirchen- und SchulAufseher zu den
öffentlichen Erziehungs-Beamten gehört, ein lebhaftes
Interesse dafür wünschen; da diese Beschäftigung
theils vor Einseitigkeit und dem leidigen Verbauern bewahrt; theils
den würdigsten Stoff zu nützlichen Unterhaltungen mit
Menschen aller Stände darbietet; theils überhaupt Keinem
ganz fehlen darf, der zur Beförderung des wahren Staatszweckes,
welcher ja kein anderer, als der gesammte Zweck der Menschheit ist,
in seiner Art beizutragen sich berufen fühlt. Ich schätzte
mich glücklich, eine Zeitlang als Mitglied des General-Departements-Raths
in dem ephemeren westphälischen Staate, und später, als
Mit-Kommissarius zur Organisation und Aufsicht des Kultus- und des
Schulwesens der jüdischen Gemeinden im Großherzogthume
Weimar, in solchen staats-polizeilichen Geschäften nicht ohne
alle Erfahrung zu seyn. Mehrere, theils anonyme, theils pseudonyme
(meist mit Sincerus unterzeichnete), Aufsätze über Gegenstände
des Staats- und öffentlichen Lebens, haben im allgemeinen Anzeiger
der Deutschen ihr Publikum gefunden. Etwas nicht ganz Gewöhnliches
in dem Leben eines evangelischen Superintendenten mag es übrigens
seyn , daß ich, in vorerwähnter Eigenschaft, und ohne
das Vertrauen weder der christlichen noch jüdischen Gemeinden
zu verlieren, zwei Landrabbiner (beide wissenschaftliche und geachtete
Männer) eingeführt, eine ziemlich umfangsreiche Instruktion
für das Landrabbinat, wie für die jüdischen Schulen,
und einen Theil der neuen Synagogen-Ordnung, im Auftrage der Staatsregierung,
entworfen; auch in Verbindung mit dem würdigen Vater des jetzigen
Rabbiners (Dr. Heß) ein Werkchen über den Juden- Eid (32)
(1826) geschrieben habe.
Inzwischen
nahmen pfarramtliche und sonstige mit meiner Stellung verbundene
Pflichten mich mehr und mehr in Anspruch. Den Geist meiner protestantischen
Pfarr-Gemeinde, von eifrig treuen Vorgängern angeregt und erhoben (33),
suchte ich - nach allen Kräften (auch durch sorgfältige
Ausarbeitung meiner Predigten und fleißiges Katechisiren)
- in religiöser Bildung und ächter Aufklärung zu
befestigen; die öffentliche Sittlichkeit zu mehren; die Form
des Gottesdienstes durch zeitgemäße Agenden (wir haben
hier die Pfalzsulzbachische, die Schleswig-Holstein'sche und andere
neuere abwechselnd) und durch ein von mir selbst herausgegebenes
neues Gesangbuch (34) - nicht
sowohl zu verschönern (denn dieses Wort, so unschuldig es an
sich ist, will nicht recht für den Kultus passen; es erinnert
zu sehr an die Künste der Koketterie!) als vielmehr in ansprechender
Würde und Feierlichkeit zu erhalten; die Elementar-Schulen
des Orts und des Sprengels so viel möglich den großen
Fortschritten der Erziehungskunst (auch in dieser Region) anzupassen;
und durch freundliche Visitationen (35)
auch in den übrigen Landgemeinden Lust und Liebe für das
Kirchen- und Schulwesen und ein vernünftiges Christenthum zu
verbreiten. In wie weit mir dies gelungen sey, kann ich nicht beurtheilen.
Von seinem redlichen Willen darf zwar Jeder sprechen, der ihn fühlt.
Die Einsichten Anderer und die Zeit können allein entscheiden,
ob ein thätiges Wirken, in größerer oder geringerer
Sphäre, ein fruchtbringendes oder ein vergebliches war.
Bei
dem öfteren Wechsel der Regierungen, und besonders während
der 7jährigen, Vielen verhaßten, Vielen erwünschten,
Westphälischen Zeit, war es übrigens so leicht nicht,
einen guten sittlich-religiösen Geist in den Gemeinden zu erhalten.
Wo alle Augenblicke einem neuen Herrn gehuldigt wird; wo des obrigkeitlichen
Bevormundens in kirchl(ichen) und bürgerl(ichen)
Angelegenheiten bald zu viel, bald zu wenig ist; wo es an Vorliebe
und Vorurtheilen für diese oder jene Verfassung nicht fehlt,
und nicht fehlen kann: da ist es schwerer, die Gemüther zu
einigen, und sie für das Höhere und Bleibende zusammenzuhalten,
als da, wo Alles in einem gewissen herkömmlichen Gleise sich
ruhig fortbewegt. Niemals habe ich indeß über Irreligiosität
und Unkirchlichkeit klagen können. Weder Gleichgültigkeit
gegen den öffentlichen Cultus (mit wenigen Ausnahmen; die überall,
- vorzüglich unter den sogenannten Halbgebildeten und halben
Denkern - Statt finden); noch Pietismus und Separatismus war je
hier vorhanden. Ich habe immer gefunden, das da, wo ein denkgläubiges
Christenthum, das weit von einer dürren Verstandes-Religion
verschieden ist, in Kirchen und Schulen mit Wärme gelehrt wird,
weder die öffentlichen Versammlungen vernachlässigt werden,
noch abgesonderte mystische Vereine sich bilden (36).
Die Versuche des Saint-Simonismus, des Materialismus u.a. werden
keinen Bestand haben. Aber das Christenthum wird aus allen seinen
bisherigen, größtentheils verbrauchten, Formen zu einer
neuen, allgemeinen Kirche sich erheben: dieß ist wenigstens
mein fester Glaube. Dann wird auch die Zeit kommen, wo man
eben so gern wieder zu den Tempeln des Heiligen, als jetzt zu Konzerten
und Schauspielen sich drängen wird. -
Diese
schöne Hoffnung weckt eine angenehme Erinnerung.
Es
war im Jahr 1811, wo auf der Höhe von Altenberga in Thüringen,
unweit Gotha, Erfurt und Schmalkalden, die feierliche Einweihung
des Denkmals Statt fand, welches an die erste Verbreitung des Christenthums
in diesen Gegenden durch Bonifazius (724) erinnern sollte. Die nähere
Beschreibung dieses in seiner Art einzigen Festes gehört nicht
hierher. (Sie findet sich in Löfflers Feier des Andenkens an
die erste christliche Kirche in Thüringen. Gotha 1812; auch
in meiner Chronik der dritten Jubelfeier der evangelischen Kirche.
Erfurt und Gotha 1819). Nur soviel werde hier berührt. Das
Denkmal besteht aus einer hohen Säule, auf welcher ein Leuchter
mit ausgebreiteter Flamme künstlich gebildet ist. Hier versammelten
sich am 1. Sept. 1811 Tausende von Christen aller Konfessionen.
Unter Glockengeläute aus den nahen Ortschaften und Choral-Musik
begann ein feierlicher Zug zu der Stelle, wo die erste Kirche Thüringens
gestanden hatte. Drei Geistliche, der lutherische General-Superintendent
Löffler aus Gotha, der katholische Prälat Placidus Muth
aus Erfurt, und der reformirte Pfarrer Wittich von Schmalkalden,
sprachen an einem im Freien errichteten, mit Blumen geschmückten
Altar nach einander gediegene Worte, die von Herzen zu Herzen gingen.
Alles war durchdrungen von seliger Rührung, als wie aus Einem
Munde der Lobgesang erscholl:
„Auf
diesen Höhen stehen wir
Und bringen unser Opfer dir,
Der du die Menschenherzen lenkst,
Und Licht in Finsternisse senkst."
Wenn
hier in schöner Klarheit es vor Augen stand, daß Menschen,
bei aller Verschiedenheit kirchlicher Gebräuche, doch nur Einen
Glauben, Eine Verpflichtung, und Eine Hoffnung des künftigen
Lebens haben; warum sollte der Ausspruch des größten Menschenlehrers
sich nicht verwirklichen: daß die Wahrheit einst Alle frei machen,
und durch geistige Verehrung Gottes sie zu Einer Heerde vereinigen
wird?
Als
Nachhall dieser begeisternden Feier entstand mein Gedicht: Religion,
in 2 Gesängen; das unter Katholiken und Protestanten eine gleich
günstige Aufnahme gefunden hat, und (wie ich aus dem Konversations-Lexikon,
neueste Auflage, unter der Notiz meines Namens, ersehe) am freundlichsten
beurtheilt worden ist.
Die
erste Jahresfeier des für die deutschen Waffen so glorreich
gewesenen 18. Oktobers, welche (1814) auch auf unseren Bergen
festlich begangen wurde (37),
veranlaßte zu einem kleineren, von Görres im Rheinischen
Merkur verbreiteten, aber auch besonders gedruckten, episch-lyrischen
Gedichte: Deutschlands Fest; das besonders den Beifall des
Kurfürsten Wilhelm I. erhielt, der den Verfasser schriftlich
deßhalb belobte; und dessen Schlußworte:
„in
Herzenseintracht haltet euch zusammen!
Weh' euch, wenn diese Feuer nicht mehr flammen!"
etwas
Prophetisches enthielten.
Die erhebende Feier des dritten Jubelfestes der evangelischen Kirche
(1817) gab mir den Wunsch ein, das Wichtigste, was in jenen merkwürdigen
Tagen zur Verherrlichung des Festes in allen protestantischen Ländern
geschehen, in einer allgemeinen Chronik zu verewigen. (Die des zweiten
Jubelfestes hatte Dr. Cyprian, Hofprediger zu Gotha, beschrieben.)
Das Werk kam in Verbindung mit Veillodter bei Hennings in Gotha heraus.
Es war bei dem fast unübersehbaren (freilich der Natur der Sache
nach, sich auch zu ähnlichem) Stoff, der aus allen Ländern
sich zusammenhäufte, und manche neue Bekanntschaft mit würdigen
Männern mir gewährte, auf 3 Bände berechnet. Der
erste sollte eine Darstellung der kirchlichen Feierlichkeiten, der
zweite eine Sammlung der vorzüglichsten Jubel-Predigten und Gedichte,
der dritte eine Auswahl der ausgezeichneten akademischen Schul-Reden
in deutscher und lateinischer Sprache enthalten. Indeß sind
nur die beiden ersten Bände, die bei dem Treiben der Verlagshandlung
nicht einmal gehörig geordnet und vervollständigt werden
konnten, und überdies durch eine Menge von Druckfehlern entstellt
sind, im Druck (in großem Quartformat) erschienen. Den dritten
und reichhaltigsten wagte, bei dem Mangel an Absatz, der wohl auch
bei der Kostspieligkeit des mehr für öffentliche Bibliotheken
berechneten Werks vorausgesehen werden konnte, der Verleger nicht,
an's Licht treten zu lassen.
Der
bekannte Harmsische Thesenstreit (38),
der besser unterblieben wäre, jedoch wie jeder wissenschaftliche
Kampf, wo „die Geister aufeinander platzen und treffen", zu weiteren
Forschungen und Fortschritten gewiß auch das Seinige beigetragen,
gab mir Veranlassung zu der anonymen Broschüre: harmlose
Einwendungen gegen die Harmsischen Behauptungen. Eisenach, b.
Bärecke 1817. Die Würdigung dieses Schriftchens in verschiedenen
kritischen Blättern konnte mir nur Freude machen (39).
Auch mit der ermunternden Aufnahme meiner „Predigten und Homilien"
(es ist nur 1 Band davon erschienen, und zu der von Vielen gewünschten
Fortsetzung derselben hat es mir immer noch an Muße gefehlt)
hatte ich Ursache zufrieden zu seyn. Was außerdem und überhaupt
bis jetzt im Druck von mir zu Tag gefördert ist, findet sich
- auf Verlangen - im angehängten Verzeichnis namhaft macht.
Doch kann ich - wegen oben berührter Unart - für die genaue
Richtigkeit aller Angaben und Jahreszahlen nicht stehen; so ohngefähr
werden sie schon zutreffen.
Meine
gegenwärtige Zeit ist zwischen amtlichen und literärischen
Beschäftigungen getheilt. An reger Thätigkeit habe ich
es nie fehlen lassen, und den Ausspruch des weisesten Königs
stets bewährt gefunden: „daß nichts Besseres auf Erden
sey, als fröhlich zu seyn in seiner Arbeit." Meine stets lebendige
dichtende Phantasie hat eher zu- als abgenommen; und ich muß
mich schon deßhalb für einen Poeten halten, weil selbst
in der Lebensperiode, wo sonst die Prosa vorherrschend wird, mir
alles im poetischen Lichte erscheint. Ich erfreue mich bei'm Schlusse
meiner vierziger Jahre einer fast nie gestörten kräftigen
Gesundheit. So viele und schwere Gemüthsleiden mir auch das
Schicksal von Zeit zu Zeit auferlegte; so ist dennoch die angeborne
Heiterkeit meiner Seele selten lange getrübt worden. Familien-Vater
(jetzt in zweiter Ehe; die erste Gattin, geb. Oettelt, aus Eisenach,
verlor ich früh, nach langen Krankheits-Leiden; have anima
pia! Die zweite ist eine geborne Waitz aus Lengsfeld) in glücklich
hergestellten häuslichen Verhältnissen; nicht ohne nähere
Freunde und Freundinnen, deren persönlicher Umgang lehrreich
und wohlthuend ist; im Besitz eines nie gestörten Vertrauens
derer, welchen ich als Lehrer und Aufseher vorzustehen berufen bin;
in geistigem Verkehr mit so vielen geachteten Männern und gelehrten
Instituten aller Art; freundlich angesehen und unterstützt
von meinen Vorgesetzten (40);
geliebt von vielen, die mich kennen, angefeindet wohl nur von Wenigen,
die mich schwerlich unbefangen beurtheilten: vergesse ich gern die
Mängel meines Glücks, das ohnehin oft nur ein scheinbares
oder wandelbares ist; und preise die Vorsehung, die das Loos meines
Lebens weder in zu großer Höhe noch Niedrigkeit mir beschieden
hat.
Noch
fühle ich Kraft genug in mir, auf dem betretenen Pfade fortzuschreiten,
und manche gesammelte Erfahrungen zu benutzen. Möge nur das,
was ich noch wirken soll, unter dem Schutze dessen, von welchem
Alles abhängt, nie ohne Frucht und Freude seyn. Ich schließe
hiermit diesen Umriß meines Lebens, dessen Unvollständigkeit
der - von mir nur schon zu sehr in Anspruch genommene -
Raum dieser Blätter entschuldigen mag. Vielleicht findet sich
später einmal, wenn es zur Herausgabe einer eigenen Auswahl
meiner zerstreuten Flüchtlinge noch kommen sollte (41),
Lust und Aufmunterung, mich über manches hier nur Angedeutete
oder gänzlich Uebergangene näher zu verbreiten, was wohlwollenden
Freunden und Zeitgenossen einige Unterhaltung gewähren könnte.
Schriften
Prophetisch-poetische
Gemälde der Zukunft. Eine freie Bearbeitung der Offenbarung Johannis.
Mit einer Vorrede v. Dr. Augusti. Zeitz 1802.
Beiträge
(meistens lyrische Gedichte) zu Beckers Erholungen, und Taschenbuch
von den Jahren 1802-1812.
Harmonia.
Ein episch-musikalisches Gedicht in 3 Gesängen. Leipzig
1805. Rez. im Freimüthigen v. Merkel 1805.
Beiträge
(in Poesie und Prosa) zu: Ernst und Scherz, herausg. v. Merkel;
zu dem Freimüthigen, herausgegeben v . Kotzebue und Merkel;
zu der Zeitung für die eleg. Welt, herausgegeb. v. Mahlmann;
zu der allgem. Musikal. Zeitung, herausg. v. Rochlitz; zu der bei
Göschen herausgekommenen Zeitung für Frauen; zu Cotta'schen
Almanach für Damen; zu Morgenblatt, zu den thüringischen
Erholungen, u. a. Bl. (Von 1803-1819.)
Gedichte.
Berlin 1805. Rez. im Freim. v. A. Zarnack u. in a. Bl.
Gesänge.
Mit Begleitung des Pianoforte. Leipzig. Rez. in der musikal. Zeitung
und im Freimüthigen.
Alexander
in Indien. Tragödie von Raçine. Frei übersetzt.
Berlin 1809.
Kleine
prosaische Schriften. Berlin.
Delille's
Dithyrambe über die Unsterblichkeit der Seele. Metrisch übersetzt.
Berlin. (Ist nicht in den Buchhandel gekommen.)
Religion.
Ein (episch-lyrisches) Gedicht in 2 Gesängen. Gotha 1812. Rez.
In verschiedenen krit. Journalen.
Deutschlands
Fest. Ein Gedicht zum 18. Oktober 1814. (Ist nicht in den Buchhandel
gekommen.)
Christliches
Liederbuch (Gesangbuch) zur öffentl. und häusl. Andacht.
Eisenach 1816. Zweite, vermehrte Ausgabe 1822. Rez. In der Hall.
Lit. Zeit., den Heidelb. Jahrbüchern, u. a. Bl.
Harmlose
Einwendungen gegen die Harmsischen Behauptungen. Von einem fränkischen
Theologen. Eisenach 1818. Rez. in v. Ammons theol. Journal, den
liter. Zeitungen und mehreren gel. Bl.
Predigten,
Homilieen und andere geistliche Reden. Eisenach 1818. Rez. in der
Jen. Lit. Z., Röhrs krit. Pred. Bibl., den thüring. Erholungen,
und a. Zeitschr.
Allgemeine
Chronik der dritten Jubelfeier der ev. Kirche. Erfurt und Gotha
1819.
Ueber
den Eid der Juden. Eisenach 1823. Rez. in der Leipz. Lit. Z., der
Sulamith, der allg. Lit. Z. und mehreren Journalen.
Rezensionen
(von 1803 bis 1805) zu den goth. gelehrten Zeitungen; (von 1805-1831)
zur allgem. (Hall.) Lit. Zeitung; (von 1804-1828) zu der allgem.
musikal. Zeitung; von 1820-1831 zu der Leipz. Lit. Zeitung u. anderen
krit. Journalen.
Weitere
Beiträge (in Poesie und Prosa) zum Reformat. Almanach; zur
Rheinischen Flora; zum Taschenbuch der Liebe und Freundschaft v.
St. Schütze; zu mehreren Almanachen, deren Titel mir nicht
gleich beifallen wollen; zur Iris; zur Hermione; zur Selitha, v.
G. Friederich; zu den Zeitbildern, v. Oehler (Beilage zur Zeitung
der freien Stadt Frankfurt 1830); zu der allgem. Kirchenzeitung;
zur Dorfzeitung (anonym); zum allgemeinen Anzeiger der Deutschen;
zu der Predigt-Sammlung für die Gemeinde Mühlhausen; zum
homilet. Repertorium v. Hörner; und anderen neueren und neuesten
bellestrist. und theol. Zeitschriften. (Von 1817-1831)
S.
Anmerkungen
1.
Dieser und vorher sein Vater standen zusammen 100 Jahre als
Rektoren dem Gymnasium vor. Albr. G. Walch, eine Zierde der weitverbreiteten
gelehrten Walch'schen Familie (sie stammt eigentlich aus Lengsfeld,
wo der Urahn, M. Tobias Walch, während des dreißigjährigen
Krieges, geistl. Inspektor und Prediger war), starb am Abend des
5. Jan. 1822 im 85. Jahre; und hinterließ ein Denkmal (aero
perennius) seiner gründlichen, vielseitigen Wissenschaft und
Lehrweisheit, als ein ächter Lichtverbreiter, in dem Herzen
und Leben seiner zahlreichen Schüler.
2.
An diesen erinnerte mich später eine poetische Aufschrift
im Freimüthigen 1805. Nr. 245. von einem verehrten Jugendfreunde;
in welcher es unter Anderem hieß:
Freudig
hab' ich dich wieder erkannt, den Jugendgefährten,
Der seine - Bahn einst mir zur Seite betrat.
Weißt du wohl noch, wie der Chor von blauen wehenden Mänteln,
Oft kaum zu Hälfte bedeckt, singend die Straße durchzog?
Und uns're Schlachten mit Kugeln von Schnee? die klirrenden Fenster,
Die ein unglücklicher Wurf allzugewaltig zerschlug?
Ehrst auch du noch den würdigen Walch, ein dankbarer Schüler?
Er hat mit Liebe den Weg auf den Parnaß dir gezeigt.
u. s. w.
3.
Johann Jakob Griesbach (1745-1812), Biblischer Kritiker,
1771 Dozent in Halle, 1776 Professor in Jena, Textrevision des Neuen
Testaments
4.
Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1761-1851), Haupt des
theologischen Nationalismus. 1793 Professor der Theologie und für
orientalische Sprachen in Jena. Seine theologische Richtung war
eine ausgeprägt verstandesmäßige. Zahlreiche theologische
Publikationen, seine Frau war eine damals beliebte Schriftstellerin.
5.
Johann Christian Wilhelm Augusti (1772-1841), Protestantischer
Theologe, 1803 Professor in Jena, 1835 Konsistorialdirektor in Koblenz
„Lehrbuch der christlichen Dogmengeschichte" (1805)
6.
Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), studierte aus Mitteln
des Freiherrn von Militz Theologie, seit 1784 Hauslehrer. Als er
1790 die Philosophie Kants kennenlernte, wanderte er nach Königsberg.
Durch seinen „Versuch einer Kritik aller Offenbarungen", der auf
Kants Empfehlung gedruckt und, als er anonym erschien, zunächst
für ein Werk Kants gehalten wurde, gelangte Fichte 1794 an
die Universität Jena, wurde aber 1799 des Atheismus verdächtigt
und abgesetzt. Er wurde Professor in Erlangen, Königsberg und
erster Rektor an der 1810 in Berlin gegründeten Universität.
Fichte ist als Philosoph ebenso bedeutend wie als Staatsdenker und
Politiker. Er gehörte zu den Erweckern des Nationalbewußtseins,
war aber Republikaner und Gegner des damaligen Obrigkeit- und Fürstenstaates.
7.
Friedrich Wilhelm Joseph v. Schelling (1775-1854), Professor
in Jena, Würzburg, Erlangen, München und Berlin. Er war
ein Freund Hegels und Hölderlins, stand in enger Verbindung
zur Romantik und gehört zu den Hauptvertretern des deutschen
Idealismus. Im Alter suchte Schelling eine Vereinigung von Philosophie
und Theologie zu vollziehen; dabei steht das Problem der Freiheit
des Menschen und dessen Verhältnis zu Gott im Mittelpunkt.
Er war mit Karoline, geb. Michaelis, verheiratet, die von Schiller
wegen ihres zuweilen boshaften Witzes als „Dame Luzifer" bezeichnet
wurde.
8.
Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836), Mediziner, 1793
Professor in Jena, seit 1809 erster Arzt der Charité in Berlin,
Professor an der Universität. Gründer des poliklinischen
Instituts. Er genoß wegen seiner Gelehrsamkeit ein seltenes
Ansehen bei den Fachgenossen und dem Publikum.
9.
Wilhelm v. Schütz (1776-1847), Schriftsteller der
Romantik, schrieb Dramen sowie politische und literaturhistorische
Schriften (z.B. über Kleist)
10.
Heinrich Karl Abraham Eichstädt (1772-1848), Professor
der Philologie, 1803 Professor der Beredsamkeit und Dichtkunst in
Jena. Damals bekannt als Latinist in Reden und Gelegenheitsschriften.
11.
Heinrich Stephani (1761-1850) Protest. Theologe und Pädagoge
der Aufklärung, wirkte in Bayern als freisinniger Kirchen-
und Schulreformer, geriet in Konflikt mit der Kirche und wurde 1834
suspendiert. Er versuchte, die moralisch-sittliche Erziehung rationalistisch
zu fundieren. Zahlreiche pädagogische Veröffentlichungen,
bemerkenswert seine Schrift „System der öffentlichen Erziehung"
(1805, 21813), Herausgeber der Zeitschrift „Deutscher
Schulfreund".
12.
Johann Gottfried v. Herder (1744-1803), Kulturphilosoph,
Historiker, Ästhetiker und Dichter. Er war Lehrer und Prediger
in Riga, reiste von dort über Nantes und Paris nach Straßburg.
Hofprediger in Bückeburg und seit 1776 durch Vermittlung Goethes
Generalsuperintendent in Weimar, 1801 Oberkonsistorialrat. Herder
lehrte, daß zwischen Natur und Menschengeschlecht ein tiefer
Zusammenhang bestehe. Diesen wieder freizulegen, bedeute wahre Kultur
(„Humanität"). Er war der Anreger des „Sturm und Drang" und
legte mit seinen Gedanken die geistigen und stofflichen Grundlagen
zur Romantik.
13.
Es gehört auch durch Güter und sonstige Beziehungen
Hessen - wie Sachsen - an; und namentlich für Hessen sind ausgezeichnete
Staatsmänner, wie Johann Christian, Freih. v. Boyneburgk,
und dessen Sohn, Philipp Wilhelm Reichsgraf zu Boyneburg. (Siehe
Strieder's Hess. Gel. Gesch. II. Thl. S. 497.) und berühmte
Heerführer, wie Konrad v. B. zu Bischhausen (der kleine Heß
genannt), und Karl v. Boyneburg Hohenstein, der in der Schlacht
von Höchstädt (1704) den Marschall Tallard gefangen nahm,
aus dieser uralten angesehenen Familie hervorgegangen.
14.
Er ging später nach Frankreich zurück, und erhielt
seine in der Revolution verlorenen Besitzungen - dem Vernehmen nach
- wieder.
15.
Dem noch lebenden Kurhess. geh. Regierungsrathe, Freiherrn
von Boyneburg
16.
Hierbei entsinne ich mich, daß Schiller einst mit Göschen
freundlich darüber stritt: ob es nicht für den Schriftsteller
ehrenvoller und angenehmer wäre, wenn seine Werke nur im Manuskript,
von Hand zu Hand, so weit Nachfrage darnach wäre, zu wahrhaft
gebildeten Zirkeln gelangten; statt, daß sie durch den Buchhandel
Jedermanns und auch des Kritikasters Eigenthum würden, der
sie dann oft mit eben so ungebührlichem Lobe als Tadel öffentlich
beschmutze? G. war nicht dieser Meinung, und auch dem unsterblichen
Dichter, so geistvoll er seine Behauptung verfocht, war es wohl
kein rechter Ernst damit.
Georg
Joachim Göschen (1752-1828), Buchhändler, gründete
1785 in Leipzig die G. J. Göschensche Verlagshandlung,
die durch Gesamt- und Einzelausgaben von Klopstock, Wieland, Goethe,
Iffland u.a. berühmt wurde.
17.
Jean Paul, eigentlich Jean Paul Friedrich Richter, (1763-1825),
Dichter, Theologe, war zuerst Haus- und Elementarlehrer bis ihm
1794 der steigende Erfolg seiner Romane ein freies Schriftstellerleben
ermöglichte. 1798-1800 weilte er in Weimar, wo er sich mit
Herder befreundete, jedoch von Goethe und Schiller distanziert behandelt
wurde.
18.
Der geniale St. Schütze, zu Weimar, mein strengster Rez.
in der Jen. Lit. Zeit., schrieb mir späterhin: „zu vieles Lob
muß durch gehörigen Tadel ausgeglichen werden." Ich wurde
in der Folge näher mit ihm befreundet, und lieferte auf seinen
Wunsch mehrere Beiträge zu seinem bekannten Taschenbuch.
19.
Christoph Martin Wieland, (1733-1813), Dichter des deutschen
Rokoko, Jurastudium in Tübingen, war nach einem Aufenthalt
in Zürich seit 1772 in Weimar (zuerst Erzieher des Prinzen
Karl August). Er hatte ein gutes Verhältnis zu Goethe. Wieland
begründete die moderne deutsche Erzählprosa und wurde
führend in der Literatur der deutschen Aufklärung.
20.
Friedrich v. Matthisson, (1761-1831), Lyriker, seine Gedichte,
die von Haller und Klopstock beeinflußt waren, waren seinerzeit
sehr beliebt.
21.
Johann Christoph Friedrich v. Schiller (1759-1805), meistgespielter
Klassiker der deutschen Bühne, Dramatiker des deutschen Idealismus,
der die leidende Natur des wollenden, handelnden Menschen in ihrer
Tragik wie in ihrer sittlichen Freiheit vergegenwärtigt. Schiller
kam 1789 nach Jena, wo er auf Vermittlung von Goethe eine Professur
annahm. 1799 übersiedelte er nach Weimar. Er gab wie auch Goethe
und Christian Schreiber verschiedene Werke bei dem Verleger Friedrich
Cotta heraus.
22.
Mit Cotta (von Cottendorf), der mich stets mit seinem Wohlwollen
beehrte, ist deßhalb auch schon länger ein Kontrakt geschlossen
worden.
Johann
Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf (1764-1832), einer der bedeutendsten
Verleger Deutschlands, Verleger Goethes und Schillers, Begründer
der „Allgemeinen Zeitung"
23.
Gemahlin des damaligen verehrten Kanzlers und Geheimraths,
Ludwig von Bechtolsheim, die, fast 100 Jahre alt, 1847 in Eisenach
starb
24.
Julie Freifrau von Bechtolsheim, geb. Gräfin v. Keller
(1751-1847 in Eisenach). Sie war Wielands Freundin „Psyche" und
zählte zu Goethes ersten weimarischen Bekanntschaften. Als
Verfasserin lyrischer Gedichte geschätzt. Ihre Zirkel waren
sehr beliebt.
25.
Deren Mitgehülfe für das Eisenach'sche Oberland unter
unmittelbarer Leitung Ihrer Kaiserl. Hoheit ich zu seyn die Ehre
(und Freude) habe.
26.
Und durch Eisenach führt eine Hauptstraße von Deutschland.
27.
Deren Begleiter (1805) durch Deutschland, England und Italien
ich nach ihrem Wunsch und Antrag hätte werden können,
wenn nicht unnötige Bedenklichkeiten mich daran gehindert hätten.
Noch von Berlin aus schrieb mir die geistvolle äußerst
lebhafte, in Vielem imponirende Frau durch Benj. Constant, und forderte
meinen Entschluß; von welchem ein mir jetzt noch unerklärliches
Etwas mich zurückhielt. A. W. Schlegel wurde dann
zu dieser Stelle berufen, der sie auch, schon wegen seiner größern
Kenntnis der neueren Sprachen, würdig auszufüllen vermochte.
28.
Anne Louise Germaine Baronne de Staël-Holstein, genannt
Madame de Staël (1766 Paris - 1817 Paris), Tochter des französischen
Finanzministers Jacques Necker. Sie wurde im Salon ihrer Mutter
schon frühzeitig mit den führenden Persönlichkeiten
der Zeit bekannt, floh vor der Revolution nach Coppet am Genfer
See, wo sie sich dort mit Benjamin Constant befreundete. Um 1800
unterhielt sie den führenden Pariser Salon wurde aber wegen
ihrer Deutschland-Freundlichkeit von Napoleon 1803 aus Paris verbannt.
Sie reiste nach Deutschland, wo sie längere Zeit in Weimar
verweilte und u.a. Goethe, Schiller, Wieland, Fichte und die Brüder
Schlegel kennenlernte. 1805 reiste sie nach Italien. Seit dieser
Zeit war August Wilhelm v. Schlegel ihr Begleiter. Ihr Hauptwerk
„De l'Allemagne" prägte für lange Zeit die französischen
Vorstellungen von Deutschland als einem verträumten Land von
Dichtern und Philosophen.
August
Wilhelm v. Schlegel (1767-1845), Dichter, Kritiker, Philologe, Mitstreiter
Schillers, seit 1798 Professor in Jena und mit seinem Bruder Friedrich
Herausgeber der Zeitschrift „Athenäum", die Mittelpunkt des frühromantischen
Kreises wurde. Er schuf die klassischen Shakespeare-Übersetzungen
und begründete als Professor in Bonn ab 1818 die Indologie in
Deutschland.
29.
Gottfried Christoph Härtel (1763-1827), Buchhändler,
gründete 1799 die „Allgemeine Musikzeitung". Er übernahm
1800 das Geschäft Breitkopf in Leipzig, das seitdem bis heute
als Buch- und Musikverlag „Breitkopf und Härtel" firmiert.
30.
Stadt Lengsfeld; (zu unterscheiden von Schenk-Lengsfeld; Langenfeld;
Langefeld im Voigtlande; und anderen ähnlich klingenden Orten);
das Städtchen liegt (wie in Cannabichs schätzbarer Geographie
kurz aber nicht ganz richtig angegeben ist) in einem ziemlich breiten
romantischen Thale, am Fuße des Baiers, einem Vorberge das
basaltischen Rhöngebirgs. Es zählt in 300 Häusern
etwas über 2000 Seelen, unter welchen 1450 Lutheraner, 500
Israeliten, 30 Katholiken und 40 Reformierte sind.
Eisenach,
Bacha, Bad Liebenstein, wo ich einigemal mit dem verehrungswürdigen
Rochlitz, dem zu früh verblichenen Ernst Wagner, u. A. herrliche
Tage verlebte, Salzungen, Meiningen und Fulda sind im Umkreise nicht
allzuweit davon entfernt.
31.
Die ohnehin, wie Stephani in seiner oben angeführten Schrift
bemerkt, keine allzuschwere Wissenschaft ist (die Rechtswissenschaft,
als eine besondere, davon ausgenommen, zu deren umfassendem und
gründlichem Studium wohl kaum ein ganzes Leben mehr ausreichen
möchte). „Sie scheint nur schwer, weil man sie nicht kennt;
und muß leicht aufzufassen seyn, weil sie den Beruf hat, eine
der allgemeinsten Wissenschaften zu werden."
32.
Das in der A. L. Z. einigen Widerspruch; in vielen anderen
- besonders in den von jüdischen Gelehrten herausgegebenen
- Zeitschriften, vorzüglich der Sulamith, Anerkennung und volle
Zustimmung gefunden.
33.
Der vorletzte war Christian Müller, aus Halle, Einer von
Niemeyers Lehrern; der letzte, Joh. Jak. Plitt, aus Hessen; beide
noch im rühmlichsten Andenken.
34.
Eine meisterhafte Rezension desselben von unserem Justi findet
sich in der Allgem. Lit. Zeitung; Jahrg. 1816. (oder 1817?)
Erg. Bl. Nr. 72.
35.
Die unfreundlichen, wo so viel mit den Leuten gezankt, oft
selbst der Pfarrer und Schullehrer vor der Gemeinde blos gestellt
wird, sind mir von jeher zuwider gewesen. Sie erbittern nur, und
nützen nie. Nur Sanftmuth, Heiterkeit und liebevoller Ernst
können bei diesem - in mancher Beziehung so oft gemißbrauchten
- Geschäfte Gutes wirken. S.
Hr.
Kirchenrath Dr. Schreiber ist seit 1815 Superintendent der Diözesen
Lengsfeld und Dernbach, an der Eisenachisch-Hess. Gränze. J.
36.
Der reine, konsequente Rationalismus, zu welchem ich
mich stets bekannt habe, schließt eben deshalb den wahren
Supernaturalismus nicht aus; sondern führt vielmehr zu ihm.
Wo das begrenzte menschliche Wissen aufhört, da eröffnet
ja die Vernunft selbst die Welt des Glaubens und der Ideale, in
welcher jedoch ihr Stab der alleinige sichere Führer ist. Sie
verwirft das Historische des Christenthums so wenig, als das Providentielle
(das ) in der Weltgeschichte überhaupt. Aber sie sichtet das
Geschichtliche von Mythen und Fabeln, und legt nicht sowohl darauf
Werth, worüber man sich sonst, in weniger hellen Zeiten, gewundert
hat, als auf das, was der forschende Verstand noch jetzt und immer
bewundern muß.
37.
Man konnte auf unserem Baier deutlich einige hundert Feuer
zählen, ohne die, welche am äußersten Horizont in
Einen Glanz zerflossen.
38.
Klaus Harms (1778-1855), strenggläubiger Lutheraner.
Veröffentlichte 1817 anläßlich der Reformationsfeier
95 Thesen gegen den Rationalismus und die Unionsbestrebungen in
der luth. Kirche. Diese Schrift wurde heftig kritisiert.
39.
Harms, dem es offenbar nicht an Genialität, wenn auch
an philosophischem Durchblick fehlt, predigte vor einigen Jahren
- auf einer Erholungsreise - in meiner Nähe, mit großem
Beifall. Er hat etwas Apostolisches in seinem Wesen. Junge Prediger
könnten viel aus seinen Reden lernen, wenn sie seine natürliche
Beredtsamkeit von seiner gekünstelten Dogmatik immer gehörig
zu unterscheiden wüßten.
40.
Mit Verehrung muß ich hier des um unser Kirchen- und
Schulwesen vielfach verdienten Präsidenten Deurer sowie des
Ober-Konsist. Raths und General-Superint. Dr. Nebe zu Eisenach erwähnen;
dessen Niemeyer (leiblich und geistig verwandt mit ihm) am Schlusse
seiner Deportationsreife (Bd. II) so ehrenvoll gedenkt.
41.
Die Freude, in von Anderen veranstalteten Sammlungen und Blumenlesen
aus der deutschen Literatur (z. B. die von Pölitz) mehrere
meiner Lieder mit aufgenommen zu sehen, habe ich oft gehabt; vor
Kurzem noch, als mir die in und für Frankreich herausgegebene
„Sammlung auserlesener Stücke aus der schönen Literatur
der Deutschen", von Roël (Gen. Insp. der königl. Universität
v. Frankreich), und dem bekannten Literator Ehrenfried Stöber
(Paris u. Straßb. bei Levrault; rue de la Harpe 1827) zu Gesicht
kam. Auch aus der französischen, englischen, italienischen
Literatur u. a. hat jener unermüdete Staatsmann und Gelehrte
ähnliche, in Frankreich mit Beifall aufgenommene, Chrestomathieen
herausgegeben. Man findet sie, jede in 2 Oktavbänden, sämmtlich
bei Lenormant in Paris.
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