10.
August 1914:
Hans
Erbslöh war in Erfurt noch ohne Bestimmung, wohin er
zu gehen hat.
20.
August 1914
Familie
Albert. Hans Erbslöh als Leutnant ist für eine
Etappen-Munitionskolonne Nr. 24 des XI. Armeekorps. Er hatte viel
Arbeit, seine Reservisten, mit denen er in der Gegend von Erfurt war,
einzukleiden. Die Kolonne hat 3 Offiziere und ist mit 57 Fahrzeugen
jetzt ausgerückt, wohin war noch unbekannt.
4.
September 1914
Hans
Erbslöh geht es bisher gut. Er ist durch Belgien gezogen
und wurde seine Kolonne einmal im Walde beschossen. Die Mitteilung
hierüber an ein vorbeifahrendes Automobil hatte zur Folge, daß
der Ort, aus dem die Schießenden gekommen waren, niedergebrannt
wurde.
Johanna Erbslöh hat erfahren,
daß das 11. Armeekorps, zu dem Hans (Erbslöh)
und Walter gehören, schon seit Freitag auf dem
Weg zur Ostgrenze ist.
19.
September 1914
Hans
Erbslöh gehört jetzt zur III. Armee. Er schreibt
aus Juniville vom 5. Sept., daß der Familienbericht die erste
Nachricht von der Heimat war, die ihn am 1. Sept. erreichte.
„Gestern hat meine Kolonne bei Rocroi die französische Grenze
überschritten ... wir haben anstrengende Märsche hinter
uns ... 40 Klm am Tag ist das übliche ... Sehr schmerzlich ist
es uns, daß man hinter der Gefechtslinie so wenig erlebt ..."
3.
Oktober 1914
Von Eisenach
wird mir noch Nachricht, daß von Hans (Erbslöh)
am 30. Sept. gute Nachricht aus Ligny kam. Seiner Adresse muß
jetzt noch „Feldpoststation 46" zugefügt werden.
17.
Oktober 1914
Aus Eisenach
schreibt Johanna Erbslöh
„Hans ist bei Rethel. - Die sehr anstrengenden Märsche scheinen
die Pferde mehr anzugreifen als die Menschen, denn Hans muß
alle paar Tage einige Pferde einhandeln, als Ersatz für die unbrauchbaren.
Das Geschäft verliefe immer sehr kurz und nicht ganz schmerzlos
für die Pferdebesitzer (franz. Bauern) da keine Luxuspreise bezahlt
würden. Hans war sehr freudig überrascht, als er kürzlich
auf der Straße in R. unseren Vetter Oberstabsarzt Matthes begrüßen
konnte, von dessen Anwesenheit er keine Ahnung hatte."
24.
Oktober 1914
Hans
Erbslöh schreibt unter dem 2.10 aus einem Orte bei Rothel:
„Ich danke Dir herzlich für Deine regelmäßig eingehenden
Familienberichte und die Berichte der Handelskammer, die ich stets
mit großem Interesse lese. Letztere sind für mich deshalb
von besonderem Interesse, weil ich Zeitungen nur selten erhalte und
deshalb von den Vorgängen in der Front nur wenig erfahre, wenigstens
nicht in zusammenhängender Form. Unsere Tätigkeit besteht
nach wie vor im Aufnehmen von Munition an den Eisenbahndepotstellen
und im Vorschaffen derselben zu den hinter der Front errichteten Depots
oder in der Abgabe an die Artillerie- & Infanteriemunitionskolonnen.
Zur Zeit erholen wir uns auch mal etwas von den anstrengenden Märschen
(tägl. ca. 40 - 50 Klm.) was vor allem unseren Pferden sehr not
tat. Wir liegen hier seit 2 Tagen in B. einem Dörfchen bei Rothel,
das durch die Kämpfe an der Aisne sehr gelitten hat, liegt in
Trümmern. Wir beschäftigen uns hier mit Pferdepflegen, Haferdreschen
und Hafereinfahren. Die Bewohner sind im Gegensatz zu den Belgiern
sehr friedlich und zuvorkommend. Sie schimpfen auf die Regierung,
die den Krieg angefangen habe und erkundigen sich angelegentlich.
ob es nicht bald Frieden gäbe; wenn sie dann Deutsche würden,
so sei es ihnen auch recht. Das ist mir in den verschiedensten Ortschaften
von den verschiedensten Leuten oft gesagt worden."
Am 14.10. berichtet er noch aus Rozoy-sur-Serre, daß er seit
dem 11. ds. zur 7. Armee gehört. Seine Adresse ist entsprechend
geändert in: Etappen-Munitionskolonne 27. Etappeninspektion.
14.
November 1914
Über
Hans Erbslöh heißt es in einem Briefe
seiner Mutter:
„Von Hans hatten wir vor wenigen Tagen gute Nachrichten. Seit seinem
Übertritt zur VII. Armee kann er mehr auf ständigere Quartiere
rechnen, bisher wechselten diese täglich und fielen sehr verschieden
aus. So hatte er manchmal das Dach eines Schlosses, dann einer elenden
Bauernhütte oder häufig auch den freien Himmel über
sich. Jetzt ist Hans sehr gut bei einem Notar einquartiert, der zu
seiner Truppe ausgerückt ist."
21.
November 1914
Hans
Erbslöh hat im Kriege den Humor nicht verloren, wie
es aus den an Gustav v. Eynern aus Rozoy s/Serre gerichteten Versen
vom 9. ct. hervorgeht:
Eure braunen Tabakrollen
haben sehr gefreut mein Herz,
und wenn ich sie jetzt in vollen
Zügen sende himmelwärts,
Fühl ich mich dem Vaterlande
Und den Sendern dieser Spende
An dem grünen (?) Wupperstrande
Näher dann ein ganzes Ende.
Dankbar hebe ich den Becher
Angefüllt mit rotem Spohn
(Leider nichts für'n deutschen Zecher,)
Ruf in lautem Kriegerton:
„Hoch der Vetter, Hoch die Base,
Die so sehr verständnislich
Für die rauchgewohnte Nase
Des Soldaten zeigten sich."
11.
Dezember 1914
Hans
Erbslöh hat auf der Durchreise nach Rußland von
Barmen aus eine Karte geschrieben nach Eisenach. Das genauere Reiseziel
war ihm noch nicht bekannt. In Berlin hat ihn die Frau des Kolonnenführers
wohl und frisch und voller Zuversicht gesehen. Inzwischen wurde derselben
die telegrafische Nachricht, daß die Kolonne in Rußland
angekommen ist. Die Adresse von H. ist jetzt „Etappen Munitionskolonne
24, Etappen Inspektion 9".
9.
Januar 1915
Johanna
Erbslöh berichtet von Hans (Erbslöh)
wie folgt:
„Er
schreibt von seiner Ankunft in Kalisch: Kalisch war derartig belegt,
außerdem liegt es zum Teil in Trümmern, daß wir
nur mit Mühe unterkamen. Ich erst ½ 1 Uhr in einem sogenannten
Hotel, wo ich auf einer Matratze im Billardzimmer eine Ruhestatt
fand. Am nächsten Tag 51 km Marsch nach Sieradz. Dort Quartier
in einer Bodenkammer mit scheibenlosen Fenstern. Von da am nächsten
Tag nach Idunska-Wala. Wir kamen bei einem würdigen alten Judenpatriarchen
unter, aber der Dreck!! Als ich Quartier machte, lag in dem einen
Bett die Judenmama, im anderen die Filia, die Leute hatten kein
Heizmaterial mehr und wärmten sich auf diese Weise.
Als
wir eine Stunde später das Quartier bezogen, war die Bettwäsche
natürlich nicht gewechselt, da tat der Schlafsack mal wieder
gute Dienste. Mit deutsch kommt man übrigens völlig durch,
alle Juden sprechen unsere liebe Muttersprache und ein großer
Teil der christlichen Polen ebenfalls."
Acht Tage später schreibt Hans:
„Wir
haben jetzt tüchtig zu tun und sind ständig zwischen Sieradz
und Lask unterwegs. Unser Quartier ist für die nächste
Zeit Idunska-Wola, ein Ort von 40.000 Einw. Durch einen glücklichen
Zufall fanden wir eine glänzende Wohnung in einem ganz neuen
Hause. Der Besitzer ist verduftet. Wir hausen da in einer wohleingerichteten
Etage ganz für uns und auch der landesübliche Dreck fehlt.
In der Stadt herrscht ein durchaus friedliches Leben und Treiben;
die meisten Läden sind geöffnet und auf den Straßen
treibt sich das Publikum - meist Juden - umher, betrachtet neugierig
die vorbeiziehenden Truppen und schachert mit ihnen nach Leibeskräften.
Es wird sehr viel Rücksicht auf die Bevölkerung genommen,
„Bons" sind verboten, es muß alles bar bezahlt werden. In
der Front stehen mit uns Österreicher, wie man sagt, nicht
zu unserer reinen Freude."
Hans schreibt nun ferner aus Lowics den 23.12.:
„Seit drei Wochen sind wir nun schon in Russisch-Polen und sind angenehm
enttäuscht. Ich kann nicht behaupten, daß wir die Nachricht
von unserem Abtransport aus Frankreich am 29. November sehr freudig
begrüßt hätten; wenn uns auch nicht mitgeteilt wurde,
wohin die Reise gehen sollte, so war es uns doch keinen Augenblick
zweifelhaft, daß wir den Osten, wo eine neue Armee gebildet
worden war, mit unserer Tätigkeit beglücken würden.
Bilder von grundlosen Wegen, metertiefem Schnee, eisigem Frost und
furchtbarem Schmutz schwebten uns vor, aber es ist alles bei weitem
nicht so schlimm, wie wir es uns vorgestellt hatten. Heute hatten
wir den ersten Schnee und das Thermometer treibt sich nur wenige Grade
unter dem Nullpunkt herum; die Wege sind zwar im Vergleich mit den
belgischen und französischen Straßen jammervoll, aber wir
haben bis jetzt mit Ausnahme zweier Marschtage das Glück gehabt,
uns stets auf einigermaßen gut erhaltenen Staatschausseen bewegen
zu können und haben auch mit unseren Quartieren einigermaßen
Glück gehabt. In der ersten Zeit betätigten wir uns in der
Gegend von Lodz, seit 8 Tagen sind wir mit dem 2. Armeekorps, dem
wir z.Zt. zugeteilt sind, nordöstlich gewandert. Augenblicklich
liegen wir in Lowicz, das erst am vergangenen Mittwoch nach heftigen
Kämpfen den Russen entrissen worden ist. Gestern erfolgte ein
starker Angriff der Russen gegen unsere ca. 11 km von hier entfernte
Front hinter Kompnia, der aber abgeschlagen worden ist. In der Umgebung
von L. liegen fast sämtliche Dörfer in Schutt, die Stadt
selbst hat wenig gelitten, nur haben fast sämtliche Fensterscheiben
daran glauben müssen, so heftig wirkte der durch die Kanonade
erzeugte Luftdruck. - Die österreichischen Motorbatterien haben
tüchtig mitgewirkt, wir trafen die Ungetüme gestern auf
dem Marsch. In der Stadt herrscht ein lebhaftes Leben und Treiben.
Die Bevölkerung geht, nachdem sie sich vom ersten Schreck erholt,
eifrig ihrer Beschäftigung nach und vor allem die jüdische
sucht in der unverschämtesten Weise unser Militär mit allem
möglichem Kram zu begaunern. Es werden hier haarsträubende
Preise gefordert und gegen Bon darf im Gegensatz zur Übung in
Frankreich nichts gekauft werden. Heute hat die Kommandantur endlich
Höchstpreise festgesetzt. Sehr schmerzlich empfinden wir das
Ausbleiben jeglicher Post, wir haben seit dem 29. Nov. keinen Brief,
keine Zeitung, geschweige denn Pakete erhalten. Letztere hätten
wir schon deshalb gern gehabt, weil wir unseren Leuten eine kleine
Weihnachtsfeier bereiten wollen, die ganz ohne Geschenke etwas kümmerlich
ausfallen wird."
30.
Januar 1915
Hans
Erbslöh schreibt am 23.ds. aus Lowicz und dankt den
Freunden und Verwandten für die vielen Weihnachtsgaben, die als
Neujahrsüberraschung nach vierwöchentlicher Pause der Post
ankamen. Er beschreibt die schöne und stimmungsvolle Feier am
Weihnachtsabend, die allen Teilnehmern in schöner Erinnerung
bleiben wird:
- - - - „Eine kurze packende Ansprache des Kommandeurs eröffnete
die Feier, die dann bei Gesang von Weihnachts- und patriotischen Liedern,
Vorträgen eines Gesangs- und eines Instrumentalquartettes und
späteren humoristischen Aufführungen sehr würdig und
unterhaltend verlief. Am Sylvesterabend erwarteten wir Offiziere unter
uns das neue Jahr, das von den Glocken sämtlicher Kirchen der
Stadt eingeläutet wurde. -- Wir liegen noch immer in Lowicz,
da sich seit unserer Ankunft die Gefechtslinie nur wenig vorgeschoben
hat. Bis L. wird die Munition mit der Bahn vorgeschafft und von hier
aus bringen wir sie dann an die Front. Unser gewöhnliches Ziel
ist Nieborow, das ca. 10 km, oder Bolinow, das ca. 15 km entfernt
ist. In Nieborow befindet sich ein prachtvolles Schloß des Fürsten
Radziwill mit großem herrlichem Park, das jetzt von 2 Generalkommandos
belegt ist. Bolinow ist stark zerschossen, noch täglich werfen
die Russen einige Granaten in den Ort."
6.
März 1915
Hans
Erbslöh schreibt u. d. 19.Febr. aus Lowicz nach Barmen
wie folgt:
„Als große freudig begrüßte Überraschung kam
vor ungefähr 8 Tagen Euer Weihnachtspaket an. Ich danke Euch
von Herzen für Euer freundliches Gedenken und Eure guten Gaben.
Ihr habt mir eine große Freude bereitet. Über 8 Wochen
hausen wir nun schon in Lowicz und haben hier viel Interessantes gesehen
und erlebt. Wenn es sich auch in Frankreich angenehmer lebt, so befriedigt
uns doch unsere Tätigkeit hier weit mehr. Auch stehen wir hier
mehr im Kriegsgetriebe, während wir in Rozoy, unserem Standquartier
in Frankreich, ein beschauliches Dasein führten, bei dem man
das Gefühl nicht los wurde, etwas überflüssig zu sein.
Hier flutet frisches Soldatenleben. Fast täglich durchziehen
Scharen junger begeisterter Soldaten die Stadt, um zu der ca. 18 km
entfernten Front zu gelangen. Am Anfang des Monats fanden starke Truppendurchzüge
von der Front her statt, es waren Mannschaften, die nach Ostpreußen
gebracht wurden, wo sie die letzten herrlichen Siege mit erfochten
haben. Am 7. d.M. kam der Kaiser von Lodz her durch, um die Truppen
bei Kompnia und Bolimow zu sehen. Alle in der Nähe liegenden
Regimenter hatten Abordnungen von Offizieren und Mannschaften geschickt,
die in der Nähe von Lowicz und in Nieborow Aufstellung nahmen
und vom Kaiser begrüßt wurden. Unsere Leute hatten in L.
auf dem neuen Markt - jetzt Hindenburgplatz - Spalier gebildet, leider
konnten wir den Kaiser nur sehr flüchtig sehen, da er im geschlossenen
Auto ziemlich schnell vorüberfuhr. -- Der gelinde Frost, der
uns das Marschieren auf den üblen polnischen Landstraßen
sehr erleichterte, ist seit einigen Tagen vorüber und grundloser
Schmutz liegt wieder auf den Chausseen und Straßen der Stadt.
Allmählich hat sich die hier nicht gerade glänzend funktionierende
Kommandantur aufgerafft, durch Juden, Polen und russische Kriegsgefangene
etwas Sauberkeit zu schaffen. In Rozoy war es ein Vergnügen zu
sehen, in wie mustergültiger Weise die dortige Kommandantur ihre
Aufgaben erfüllte: Die Landesvorräte für uns nutzbar
machte, Chausseen verbesserte, die Truppen mit Lebensmitteln und Heizmaterialien
aus dem Lande versorgte (es wurden sogar Meiler angelegt, um Holzkohle
für die Mannschaften in den Schützengräben zu gewinnen)
und die Stadt, dessen maire ausgerückt war, zu verwalten. Kommandant
war dort ein Landwehrhauptmann Burberg, im Civilleben Fabrikant in
Mettmann, sein Adjutant ein Landgerichtsrat aus einer rheinischen
Stadt. Solche Leute sind für diese Posten viel mehr am Platze
als alte abgetakelte Obersten und Majore, denen es häufig an
der nötigen Initiative fehlt. Wir warten seit einigen Tagen auf
den Befehl zum Abmarsch, vermutlich werden wir etwas nach Süden
verlegt. Lieber wäre es uns schon, wenn wir in ganz andere Gegend,
vielleicht nach Serbien kämen, um wieder etwas Neues kennen zu
lernen."
10.
April 1915
Mehrfach
wurde es bedauert, daß die Familienbriefe seit einiger Zeit
gar nichts von Otto Scheibe und Hans Erbslöh berichten.
O. Walter (Erbslöh) und Hans Erbslöh sind
in letzter Woche zu Oberleutnants befördert worden, wozu wir
ihnen herzlich Glück wünschen.
17.
April 1915
Von einem
Briefe von Hans Erbslöh vom 2. d.M. - Landgut
Sobota - sendet seine Mutter den folgenden Auszug:
„Wir sind noch immer auf unserem Landgut. Ob der Besitzer uns so aufrichtig
schätzt, wie er sich den Anschein gibt, möchte ich allerdings
bezweifeln. Sicher sind wir ihm aber lieber als die Russen; denn diese
sehen die Polen alle als ihre Unterdrücker an, während sie
von uns ihre Freiheit und die Wiederherstellung des Königreichs
Polen erhoffen. Die Gebildeten geben sich übrigens viel liebenswürdiger
als die Bauern. Letztere gehen meist grußlos vorüber und
selten wünscht einer „Guten Tag". Da waren die Franzosen ganz
anders, obwohl sie unsere Feinde sind, während die Polen stets,
vor allem bei Requisitionen, betonen, daß wir ja mit ihnen gar
keinen Krieg führen, sondern nur mit den Russen. In der Umgebung
des Gutes haben wochenlange heftige Kämpfe stattgefunden. Das
Dorf und das Gut sind wunderbarerweise gar nicht beschädigt worden,
während alle benachbarten Dörfer nur Schutthaufen bilden.
Weit und breit durchziehen Schützengräben die Felder. In
einem naheliegenden Walde haben wir heute eine Feldstellung der Russen
besichtigt. Es ist das eine völlige unterirdische Stadt, in der
gewaltige Menschenmengen gelegen haben müssen. Unser Oberfeuerwerker
benutzte seine Mußestunden, um russische Blindgänger zu
sprengen. In 3 Tagen hat der Mann ungefähr 50 Stück vernichtet,
ausschließlich russische. An deutschen fanden wir nur ein
blindgegangenes Geschoß .... Heute und in den vorhergehenden
Tagen war wieder herrliches Frühlingswetter. Die Störche,
die hier sehr häufig angetroffen werden, sind vor einigen Tagen
einpassiert. Mehr als die Störche interessieren mich die Kiebitze,
sie bevölkern in Scharen die sumpfigen Wiesen. In einigen Tagen
geht's auf Kiebitzeiersuche."
Hans hat augenblicklich nicht viel zu tun, da ja im Osten ziemliche
Ruhe herrscht.
12.
Mai 1915
Einem
Brief von Hans Erbslöh aus Sobota v. 4.5. entnehme
ich folgendes:
„Wir können es wohl jetzt wagen, daran zu denken, daß dieser
furchtbare Krieg, wenn auch ganz allmählich, seinem Ende zugeht,
nachdem in den letzten Tagen dieser herrliche große Sieg in
den Waldkarpathen erfochten worden ist.
Wir erhalten soeben die Nachricht und unsere Freude ist unbeschreiblich.
Ich bedaure nur, daß ich den Siegesjubel in der Heimat nicht
miterleben kann; das muß ein wunderbares Gefühl sein. Nun
wird hoffentlich auch bald unseres Bleibens in Sobota ein Ende sein
und werden wir unsere eigentliche Tätigkeit wieder aufnehmen.
Immerhin werde ich mich unseres Aufenthalts hier stets gern erinnern,
denn wir haben schöne Tage auf diesem prächtigen Fleckchen
Erde verlebt. Ich hätte gar nicht gedacht, daß das eintönige
flache Polen so schöne Plätze aufzuweisen hätte. Dabei
haben wir in den letzten Tagen das herrlichste Wetter gehabt. Unsere
freie Zeit verbringen wir mit Spaziergängen, Ritten, Fischen
und Jagen. Letzterem Sport habe ich bisher nicht gehuldigt, habe aber
jetzt viel Freude daran. Rehwild, Hasen und Hühner haben zwar
Schonzeit, doch gibt's genug Karnickel, Wildenten, Raubvögel
und auch Bekassinen, um einen bescheidenen Jagdeifer zu befriedigen."
26.
Juni 1915
Hans
Erbslöh teilt aus Eisenach unter dem 22. ds. Mts. mit,
daß er zu Hause einen 14tägigen Urlaub verlebt - eine große
Wohltat nach über 10 monatl. ununterbrochener Abwesenheit. Er
traf in Eisenach alle Lieben wohl an.
10.
Juli 1915
Hans
Erbslöh ist Ende voriger Woche von Eisenach wieder nach
dem Osten zurückgekehrt.
17.
Juli 1915
Hans
Erbslöh schreibt u. d. 10. d. Mts.:
„Am 26. Juni bin ich vom Urlaub zurückgekehrt und habe die Kolonne
noch im alten Quartier vorgefunden. Wenige Tage danach mußten
wir jedoch 2 Regimentsstäben Platz machen und uns ein anderes
Heim suchen. Seit gestern bin ich zur Vertretung des Adjutanten bis
auf weiteres zur Abteilung kommandiert und bin wieder nach Lowicz
zurückgekehrt, wo wir den größten Teil des Winters
gelegen haben."
24.
Juli 1915
Ein gemeinschaftliches
Briefchen von Hans Erbslöh und Hellmuth
Weiß lautet:
„Lowitz, den 19.7.15, L.O.H.
Zu
meiner großen Freude habe ich hier zufällig Hellmuth
getroffen, leider können wir nur kurze Zeit zusammen sein.
Wir grüßen Dich, Tante Adele und die Verwandten herzlich.
Gestern erhielt ich die Nachricht, daß mir das Eiserne Kreuz
verliehen worden ist und daß ich als Adjutant zur Abteilung
versetzt worden bin.
Herzlichst
Hans Erbslöh"
14.
August 1915
Von Hans
(Erbslöh) wurden mir durch Karte vom 8.8.15 die folgenden
Nachrichten:
„Die Abteilung ist vorgestern nach Shicardow (an der Bahn Warschau
- Skierniewisc) verlegt worden. Gestern fuhren wir nach Warschau hin.
Ein hochinteressantes Erlebnis. Um den rechts der Weichsel gelegenen
Stadtteil Praga wird noch gekämpft. 200 m hinter unseren Schützenlinien
am linken Weichselufer flutete in einer Hauptstraße, der „Neuen
Welt", das Großstadtleben. Alle Geschäfte waren geöffnet,
alle Cafés überfüllt; sog. Künstlerkapellen
spielten. Soldaten sieht man verhältnismäßig wenige.
Das Publikum bestaunte jeden. Herzliche Grüße allen."
21.
August 1915
Hans
Erbslöh schreibt aus Schirardow:
„Einige Tage nach unserer Übersiedlung nach hier machte ich noch
eine dienstliche Fahrt nach Blonie, das gerade von unseren Truppen
besetzt worden war. Die Russen hatten an ihren Rückzugsstraßen
schön gehaust. Ein großer Teil der Dörfer und Güter
waren niedergebrannt, das Getreide hatten sie mit großen Baumstämmen
niedergewalzt. Blonie selbst ist unversehrt, nur fehlen in den von
den Besitzern verlassenen Häuschen alle Möbel und sämtliche
Türklinken aus Messing. Jeder Mann trägt daher ständig
eine Türklinke bei sich, wie man ein Taschenmesser oder Feuerzeug
bei sich führt.
Schirardow ist ein Fabrikstädtchen. Der ganze Ort lebt oder vielmehr
lebte von einer großen Baumwollweberei (Hille & Sittrich),
die ca. 9000 Arbeiter beschäftigte. Wie der Name besagt, ist
das eine deutsche Gründung, jetzt Aktiengesellschaft, die auch
von den Deutschen geleitet wird. Wohl aus diesem Grund haben die Russen
vor ihrem Abrücken den größten Teil der Fabrik gesprengt
und abgebrannt. Tausende von Arbeitern sind dadurch brotlos geworden
und es herrscht große Not im Ort. Ein großer Teil der
Leute wird von uns mit Erntearbeiten beschäftigt. Viele Fabrikgebäude
waren erst vor einigen Jahren neu aufgebaut und mit neuen Maschinen
versehen worden. Jetzt liegt das alles in Schutt und Asche. Ein alter
Arbeiter, der uns führte, heulte beinah, als wir vor der in Trümmern
liegenden Weberei standen, in der er 40 Jahre gearbeitet hatte.
Am 7.ten war ich mit Hauptmann Stens in Warschau und das war wohl
eines der interessantesten Erlebnisse des Krieges. Auf dem Wege dorthin,
ungefähr 55 km, sahen wir eine stark befestigte russische Stellung
hinter der anderen, die aber kampflos aufgegeben worden waren. Andernfalls
hätten wir wohl nur mit sehr starken Kräften und unter ungeheuren
Verlusten gegen Warschau vordringen können. Die äußeren
Stadtteile Warschaus machen einen miserablen Eindruck, schlechtes
Pflaster, häßliche verfallene Häuser, vor denen die
schmierigen Bewohner, meist Juden, hocken. Das ändert sich mit
einem Schlage, wenn man die innere Stadt betritt. Hier sind die Straßen
breit, mit Bäumen bepflanzt und mit gutem Pflaster versehen.
Ganz Warschau schien auf den Beinen zu sein, um sich die Barbaren
anzusehen. Überall sah man Trupps von Einwohnern, die sich um
einen Soldaten versammelt hatten. Wir fuhren durch einige Hauptstraßen,
überall dasselbe Bild. Menschen, Droschken, überfüllte
Straßenbahnen. Alle Geschäfte waren geöffnet, in den
Restaurants und Cafés kaum ein Stuhl frei. Hier gab's was das
Herz begehrte, nur keine Milch und kein Bier. Und 200 m weiter an
der Weichsel knatterten die Maschinengewehre und funkten unsere Infanteristen,
denn dort war die deutsche Stellung, während die Russen die auf
dem rechten Weichselufer gelegene Vorstadt Praga besetzt hielten.
Die von den zerstörten Weichselbrücken senkrecht auf eine
der belebtesten Straßen mündenden Straßen waren abgesperrt,
da hier die Russen hereinschossen. Die Menschen strömten bis
zur Straßenecke und machten dann kehrt. Niemand kümmerte
sich um die Schießerei. Alles bummelte vergnügt und heiter,
wie im tiefsten Frieden, auf den Straßen. Solche Gegensätze
sind unfaßlich, wenn man's nicht mitangesehen hat. Unsere Leute
konnten tatsächlich aus dem Schützengraben in ein elegantes
Großstadtcafé gehen, sich einen „Schwarzen" genehmigen
und wieder auf ihren Posten zurückkehren.
Inzwischen ist Praga ja von den Russen geräumt worden und unsere
Stellung befindet sich hinter Warschau. Leider haben die Russen überall
gründlich aufgeräumt und die militärische Beute wird
nur gering sein. In den Forts befindet sich kein Geschütz, keine
Munition, kein Gewehr mehr."
Eine spätere Karte von Hans (Erbslöh) besagt, daß
er von Schirardow nach Warschau gerückt ist.
28.
August 1915
Hans
(Erbslöh) schreibt u. d. 17. August an Tante Laura:
„Ich danke Dir herzlich für die vorzüglichen Zigarren, die
mich mit Deinem freundlichen Glückwunsch noch in Lowicz erreichten.
Bald darauf siedelten wir nach Schirardow, von da nach Warschau und
seit vorgestern sind wir in Liedlich, wo wir wohl längere Zeit
bleiben werden. Für eine Gouvernements- und Garnisonstadt von
30-40000 Einwohnern ist L. reichlich schmierig und unmodern. Kanalisation,
Wasserleitung, Gas sucht man vergeblich, dafür erfreut uns aber
ein Pflaster, für das man in einer deutschen Stadt von 3000 Einwohnern
den Magistrat steinigen würde. Wir hoffen, daß sich die
Bahn recht bald bis hierher durchführen wird, damit wir endlich
wieder regelmäßige Post erhalten."
11.
September 1915
Hans
Erbslöh schreibt aus Drokiczyn d. 25. Aug.:
„Seit dem 20. Aug. sind wir hier am Bug. Der Weg dahin war für
unser Auto recht beschwerlich. Die Bugbrücke war verbrannt, die
Auffahrt zur Pontonbrücke aber derartig sandig, daß wir
nur mit 4 Pferden Vorspann durchkamen. Drokiczyn ist ein kleines,
schmutziges Nest, aber wundervoll gelegen. Wir wohnen in einem hoch
über dem Bug gelegenen Kloster, das allerdings als solches schon
lange nicht mehr benutzt wird. Die Aussicht von unserem Zimmer geht
viele km weit über Wiesen und bewaldete Hügel. Kurz nach
unserer Ankunft erhielt ich, wie schon mal vorher, eines Abends den
Auftrag, bis zum nächsten Morgen 10 Uhr aus der Umgebung 120
Gespanne zusammenzutreiben und aus ihnen eine Kolonne zusammenzustellen.
Die gemachten Erfahrungen konnte ich mir zunutze machen und zur befohlenen
Zeit stand die Kolonne fix und fertig zum Abmarsch bereit. Die Aufgabe
ist für jemanden, der das noch nicht gemacht hat, nicht einfach;
vor allem wenn die ausreichenden Hilfskräfte fehlen. Es muß
ein Führer, Offizier, Unteroffizier, Mannschaft besorgt werden,
für Quartier und Verpflegung ist Vorsorge zu treffen. Das Zusammenbringen
der Gespanne ist eine Hundearbeit, da die Polen, obwohl ihnen 5 M
pro Gespann und Tag zugesagt werden, sich schleunigst dünn machen,
weil sie in dieser Beziehung recht trübe Erfahrungen mit den
Russen gemacht haben, die ihnen Prügel anstatt Geld verabfolgten.
Unseres Bleibens wird hier nicht lange sein. Übermorgen gehts
vermutlich weiter.
Mielejezyol, d. 1.Sept.:
Morgen
kommen wir an den Rand des Bielowischen Urwaldes nach einem ganz
kleinen Nest, östlich von Bielsk. Nach der Generalstabskarte,
die recht gut ist und die dem russischen Generalstabsoffizier, von
dem unser Kriegsministerium sie gekauft hat, sicher viel Geld eingebracht
hat, hat der Ort 13 Gehöfte. Wie wir da neben der Etappenkommandantur,
einer Landsturmkompagnie und einem Zug Ulanen unterkommen sollen,
ist mir vorläufig noch ein Rätsel. Mit der Verpflegung
wird's faul aussehen. Es kostet sehr, sehr große Anstrengungen,
unsere Truppen mit Nahrungsmitteln und Futter zu versehen, da die
Bahn noch nicht geht und die Kolonnen große Strecken auf den
miserablen Sandwegen zurücklegen müssen. Wir werden wohl
auf die Wisentjagd gehen müssen; hoffentlich haben uns die
Russen noch etwas übrig gelassen. - Vor einigen Tagen ist mir
das „Ritterkreuz II. Abt. mit Schwertern des Großherz. Hausordens
vom weißen Falken" verliehen worden."
Dem lieben
Hans herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung!
15.
Oktober 1915
Hans
Erbslöh, der immer weiter in Rußland vorrückt,schreibt
am 27. Sept. von Rohotna:
„Die ersehnte Ruhe in Wolkowysk, von der ich schrieb, haben wir gehabt;
8 Tage haben wir dort gelegen. Zu tun gab's natürlich auch tüchtig,
aber wir waren wenigstens nicht fortwährend auf der „Achse".
Unser neuer Wohnsitz Rohotna liegt ca. 35 km nördlich Slonim,
leider nicht an einer festen Straße, sondern im Sande. Der Ort
besteht nur aus einigen elenden Gehöften und einer größeren
griech.-kath. Kirche. Diese war bis vor 25 Jahren noch römisch-kath.,
dann wurde sie von der russ. Regierung kurz und schmerzlos umgetauft,
sie erhielt zwei Kuppeln und einen Popen und die orthodoxe Kirche
war fertig. Die kath. Polen müssen jetzt 14 km weit laufen, wenn
sie einem Gottesdienst beiwohnen wollen. In der Nähe des Dorfes
liegt ein Gut und in dieses haben wir uns einquartiert. Die Wohnung
war durch russische Truppen, die länger hier gehaust hatten,
übel zugerichtet, jetzt sieht sie nett und sauber aus und ein
Teil der Möbel ist auch noch vorhanden. Nach der Erzählung
des Inspektors waren nach Abzug der Russen die Kosaken grade im Begriff,
das ganze Gut anzustecken, als die ersten Deutschen in den Ort marschierten,
so blieb es verschont. Das systematische Vernichten aller Vorräte
ist doch recht, recht übel für uns. Der Nachschub der Lebensmittel
ist ungeheuer schwierig, da er größtenteils durch Gespanne
erfolgen muß. Die wenigen festen Straßen sind durch die
Russen gründlich zerstört worden. Nicht nur sämtliche
Brücken und Durchlässe sind gesprengt oder verbrannt, sondern
die Straßendecke selbst ist durch schwere Pflüge, die durch
Lokomobilen gezogen wurden, aufgerissen worden. Teilweise haben sie
diese Pflüge nicht mehr fortschaffen können, sie lagen noch
auf der Straße. Da dauert es oft 14 Tage bis die Straße
für Lastautos hergestellt ist. Besonders liebevoll hatten sich
die Russen der Chaussee Prnzana-Rozana angenommen. Hier sahen wir
auch ein Stück Kriegselend, so eigenartig, wie ich's bisher noch
nicht zu sehen bekommen hatte. An der Stelle, wo die Straße
in einen großen kilometerlangen Sumpf einmündet, um alsdann
weiterzugehen, waren die Wiesen links und rechts der Chaussee in einer
Länge von ca. 1 km übersät mit Bauernwagen, Hausgerät
und Kleidungsstücken; Flüchtlinge, die vor den Russen herzogen,
hatten hier offenbar die Straße für die eilig zurückgehenden
Truppen frei machen und ihre Habe im Stich lassen müssen, da
sie wegen des Sumpfes neben der Straße nicht weitermarschieren
konnten. Viele von ihnen sind dann wohl zwischen die kämpfenden
Truppen geraten und das werden die Landeseinwohner gewesen sein, die
die Russen nach unseren Zeitungsberichten vor ihre Front gejagt haben,
um sich Deckung zu schaffen. Ich glaube nicht, daß es in der
Absicht der Russen gelegen hat, die Bauern als Kugelfang zu benutzen."
6.
November 1915
Hans
Erbslöh schreibt aus Lowicz am 23.10.:
„Wir sitzen noch im alten Quartier und rüsten uns für den
Winter. Ich werde die Ruhe benutzen, um einen Urlaub nachzusuchen."
4.
Dezember 1915
Von Hans
Erbslöh erfahre ich aus Rohotna unter dem 27. Nov.,
daß er seinen dreiwöchigen Urlaub hinter sich hat und in
Eisenach alles wohl antraf. Mit Hildegard und ihrem Mann konnte er
auf der Hin- und Rückreise einige Stunden in Berlin zusammen
sein.
22.
Januar 1916
Hans
(Erbslöh) schreibt vom Truppenübungsplatz Jüterbog
Altes Lager u. d. 18. ds.:
„Vielleicht hast Du schon gehört, daß ich von Anfang Januar
ab für 4 Wochen zu einem Ausbildungskursus für Batterieführer
nach Jüterbog kommandiert bin. Ich habe das Kommando mit Freuden
begrüßt, denn es brachte mir ein kurzes Wiedersehen mit
Mama in Eisenach und eine Abwechslung in das recht eintönige
Leben im Stellungskrieg. Ich lag mit der Abteilung zuletzt in Zdziemiol,
einem kleinen schmutzigen Judennest, westlich Nowo-Grodek in der Nähe
der Bahnlinie Lida-Baranowitschi. Hier feierten wir das Weihnachtsfest
in ebenso schöner und harmonischer Weise wie im vergangenen Jahr.
Wenige Tage später erhielt ich die Nachricht von meiner Kommandierung
und am Neujahrstag konnte ich in Eisenach sein.
Der Dienst hier bei der Schießschule ist anstrengend und verläuft
so, wie ihn ähnlich Siegfried vor einigen Monaten in Beverloo
kennen gelernt haben wird. Von morgens 8 bis abends ½ 6 Uhr Geschützexerzieren,
Schießunterricht, Vortrag usw., Scharfschießen. Der interessanteste
Teil des Kursus findet leider nur 4 Mal statt, vermutlich weil der
Schießplatz sehr stark belegt ist, vielleicht auch weil mit
Munition gespart werden soll. Die ganze Sache ist für mich nicht
neu, da ich bereits vor 6 Jahren einen ähnlichen Kursus mitgemacht
habe; der Dienst war damals allerdings friedensmäßiger.
Nach Beendigung des Kursus werde ich wohl zunächst in meine alte
Stellung zurückkehren."
20.
Mai 1916
Hans
(Erbslöh) schreibt aus Jdziencid am 8. Mai:
„Vorgestern sind der Major und ich von unserer viertägigen Reise
zurückgekehrt. Es hat mir wohlgetan, mal aus dem Einerlei rauszukommen,
Neues zu sehen, neue Eindrücke zu gewinnen. Am Mittwoch vormittag
½ 5 Uhr fuhren wir zunächst mit dem Auto nach Nowojelnia, dann
mit der Bahn nach Czerlona, einer kleinen Station auf der Strecke
Lida-Grodno. Hier erwartete uns ein „Panjefuhrwerk", das uns durch
tiefen Sand in einer Stunde an den Njemen brachte. Wir mußten
in einem kleinen Boot den Fluß passieren, da die alte Brücke
von den Russen verbrannt war und eine von unseren Truppen hergerichtete
Brücke beim Frühjahrshochwasser weggerissen worden ist.
Der Fluß ist damals weit über seine Ufer getreten, ein
großer Frachtkahn, der dort strandete, liegt jetzt ca. 50 m
weit vom Fluß auf dem Trockenen. In Wola wurde eine Kolonne
besichtigt, die dort auf einem gänzlich verlassenen und recht
verwüsteten Gute liegt. Am Nachmittag ging's weiter nach Grodno.
Die Stadt hat einige imposante Staatsbauten, mehrere orthodoxe Kirchen,
wie sie der Russe liebt, die angestrichen sind und deren goldene mit
den typischen Kotten behängten Kuppeln weithin glänzen.
Die männlichen Einwohner haben die lästige Angewohnheit
- vermutlich auf Kommandanturbefehl - jeden Offizier zu grüßen,
was bei uns bald eine kleine Lähmung der rechten Oberarmmuskeln
zur Folge hatte. Die Stadt wimmelt von Militär. Vom alten Schloß
hat man einen herrlichen Blick über das Tal des Njemen, der am
Fuß des Schloßberges hinfließt. Die Unterkunft im
Hotel entsprach etwa der im „Schwan" in Eisenach (Fuhrmannskneipe).
Am Donnerstagmorgen brachte uns der Zug nach Wasilkow, einer Station
in der Nähe von Bialystok. Auf einem nahen Gute, das dem Minister
Sasanow gehört - der leider nicht zu Hause war - , liegt eine
weitere Kolonne, die zu besichtigen war. Das Gutshaus ist ziemlich
einfach, der Park schön und gut gepflegt. Auf einer offenen Veranda
aßen wir zu Mittag, wobei der Major den Vorzug hatte, im Arbeitssessel
Sr. Excellenz Platz nehmen zu dürfen. Nach dem ca. 8 km
entfernten Bialystok brachte uns am Nachmittag ein flotter Wagen des
Herrn Sasanow. Nach einer dienstlichen Rücksprache bei der Inspektion
waren wir am Abend mit einigen Bekannten von dieser Behörde im
Kasino, wo wir schlecht und teuer zu Abend aßen. Ein einheimischer
Hauptmann behauptete, die Speisen wären mit Affenfett angemacht.
Eine Eigenart dieses Fettes scheint die zu sein, daß es den
hinteren Gaumen mit einer festen Talgschicht überzieht, die nur
durch reichliche Getränke entfernt werden kann. Dieses war der
zweite Tag. Der dritte sah uns in Bielsk, wo wir die „Schwesternabteilung"
besuchten. Ein nettes Gartenstädtchen mit breiten Straßen
und freundlichen Holzhäusern. Von den 10000 Einwohnern sind nur
2000 da, so stehen viele Häuser leer und an guten Quartieren
ist kein Mangel. Am Nachmittag fuhren wir nach dem 40 km entfernten
Jagdschloß Bialowies, das dem Zaren gehört, der leider
auch verhindert war, uns zu empfangen. Eine Beschreibung desselben
habe ich schon früher geliefert, wo ich mal das Vergnügen
hatte, es zu sehen. Jetzt sah es wesentlich wohnlicher aus als damals.
Eine Menge Truppen sind hier zusammengezogen, um das Ausholzen des
Urwalds zu besorgen, was denn auch gründlich geschieht.
Für Millionen ist da schon herausgeschlagen worden. Wisente bekamen
wir leider nicht zu sehen, obwohl sie so vertraut sind, daß
sie den Pferden das Futter wegfressen, wenn die Kolonnen im Walde
füttern. Hingegen machte ich eine andere angenehme Bekanntschaft:
im Kasino befand sich des Abends der bekannte Zeichner Fritz Stock-Gotha
ein, der hier Studien macht. Ein gemütlicher, fideler, dicker
Herr, der interessant von seinen Studienreisen, vor allem in der Türkei,
erzählte. Der nächste Tag war der Rückfahrt gewidmet."
1.
Juli 1916
Hans
(Erbslöh) schreibt mir aus Z., den 22. ds. M.:
„Ich hatte immer schon vor, mal wieder etwas für die Familiennachrichten
zu liefern und so sende ich Dir denn die frohe Nachricht meiner Verlobung
mit Martha Appelius aus Eisenach. Martha ist Dir
und vielen der Familie wenigstens dem Namen nach nicht unbekannt,
denn seit vielen Jahren ist uns Familie Appelius ja eng befreundet
und eine langjährige besondere Freundschaft verband auch Martha
und mich. Unsere Verlobung wird Anfang Juli veröffentlicht werden
und vom 8. Juli ab hoffen wir dann einen dreiwöchigen gemeinsamen
Urlaub in Eisenach verleben zu können. Martha ist seit 4 Jahren
als Schwester im städtischen Krankenhause in Frankfurt a.M. tätig."
Die Nachricht von der Verlobung von Hans haben wir mit Freude begrüßt
und ich darf ihm wohl in aller Namen die herzlichsten Glückwünsche
zu der Verbindung mit seiner bewährten Freundin aussprechen.
16.
September 1916
Hans
Erbslöh ist seit Anfang August wieder im Feld und seine
Martha ist auf 4 Monate nach Frankfurt ins Krankenhaus zurückgekehrt.
- Seine Abteilung ist, wie seine Mutter schreibt, kürzlich „weit
ab" gelegt worden; wohin hatte sie noch nicht erfahren.
21.
Oktober 1916
Hans
Erbslöh schreibt mir über seine letzten Erlebnisse
u. d. 14. ds. M.:
„Am 11. Sept. wurde die Abteilung von Zdziemrol, unserem bisherigen
Standort in Rußland, abtransportiert und nach 4-tägiger
Reise, die uns durch anmutsvolle Gegenden Ungarns führte, landeten
wir in Großwardein (Nagzvarad). Hier blieben wir eine Woche
und dann ging's über Karlsburg nach Hermannstadt. Diese Stadt
rein deutschen Charakters hat mir außerordentlich gefallen.
Deutsch ist der größte Teil seiner Bewohner, deutsch die
Bauweise, deutsch die Sauberkeit in den Straßen und die Namen
derselben. Die Stadt, in die die Rumänen nur ganz kurze Zeit
eingedrungen waren, hat äußerlich sehr wenig gelitten.
Bei unserer Ankunft machte sie allerdings einen toten Eindruck, da
von den 32000 Einwohnern 20000 geflüchtet waren. Aber schon in
den ersten Tagen kehrten die Flüchtlinge scharenweise zurück.
Vor einigen Tagen erhielt ich ein besonderes Kommando nach einem Flecken
in der Nähe von Kronstadt, wo ich z.Zt. noch bin. Ich hoffe jedoch
bald zu meiner Abteilung zurückkehren zu können."
4.
November 1916
Von Hans
Erbslöh liegen gute Nachrichten vor. Er hat wieder seine
Tätigkeit und den Standort gewechselt.
11.
November 1916
Von Adolf
erhielt ich einen Brief aus Vaulx v. 2. ds. M.:
„Seit 14 Tagen liegen wir nördlich der Somme und unser J.R.95
ist seit 8 Tagen eingesetzt. Gottlob sind die Verluste nicht allzu
groß. Hoffen wir, daß es so bleibt! Mich hat man zum Quartiermacher
der Ortskommandantur in Vaulx gemacht; das ist ein kleines Städtchen,
12 km hinter der Front, mit schöner gotischer Kirche aus dem
XIV. Jahrhundert, die mich immer so anschaut als wollte sie sagen:
„Mal mich doch!", aber mit dem Malen ist's jetzt nichts, ich habe
Tag und Nacht zu tun mit dem Quartiermachen für alle die Truppen,
die hier z.T. länger, z.T. nur ganz kurz liegen; es geht toller
zu als in einem Bienenhaus und ich bin ordentlich stolz, daß
ich von den etwa 70 verschiedenen Formationen, die ich gleichzeitig
im Kopf haben muß, bis jetzt nur einmal eine vergessen
habe. Das gab dann allerdings gleich einen wüsten Schlamassel
und ich bekam einen Gehörigen auf den Kopf von unserer 38. Inf.Div.
U.a. liegt seit gestern auch das Artillerie-Regt. von Hans
Erbslöh hier. Ich machte gleich Bekanntschaft mit ein
paar Offizieren, die ihn kannten.- Bei unserem Familientag an der
Somme hoffe ich bald einmal der 4te im Bunde sein zu können.
Es wäre zu lustig, die Vettern hier alle zu sehen. Walter ist
übrigens bei unserem Regt. ein sehr bekannter Mann. Alle erinnern
sich seiner noch von 1914 und 15 her.-
25.
November 1916
Von Hans
(Erbslöh) liefen am 19. ds. in Eisenach Nachrichten
ein, denen zu entnehmen ist, daß seine Zweigkolonne jetzt in
Rumänien eingerückt sein wird.
16.
Dezember 1916
Über
Hans Erbslöh erfahre ich aus Eisenach, daß
er in einem am 7. ds. M. eingetroffenen Briefe die Ankunft in Crajova
und zugleich das Weiterrücken der Kolonne von dort meldete. Inzwischen
wird er in Bukarest angelangt sein.
6.
Januar 1917
Nachrichten
von Hans (Erbslöh) nach Eisenach meldeten, daß
er viel, bis in die Nächte hinein, zu tun hatte, so daß
er zu ausführlichen Berichten nicht kommen konnte. Aus Titu schreibt
er:
„Inzwischen wirst Du wohl Nachricht von mir aus Targu-Jiu erhalten
haben. Von dort sind wir nach Craiova gewandert und dann weiter, quer
durch Rumänien nach Titu, einem jammervollen Nest an der Bahnstrecke
Pitesti-Bukarest. In Craiova waren wir geradezu fürstlich untergebracht,
hier sehr mäßig.
Vom 18. Dez.
Seit
dem 13. bin ich in Ploesti. Wir haben Titu, wo wir im Schlamm versanken,
gern verlassen. Die Fahrt hierher ging über Targoviste. Hell
schien die Sonne und vor uns lagen die schneebedeckten Berge der
Predeal. An den zahlreichen herumliegenden Leichen sah man, daß
hier gekämpft worden war; sonst machte die Gegend einen friedlichen
Eindruck. Die Dörfer waren unzerstört und größtenteils
bewohnt. Ploesti macht einen großstädtischen Eindruck,
es hat prunkvolle, meist aber überladene Bauten, breite Straßen
und leidliches Pflaster. Die bessere rumänische Bevölkerung
ist geflohen, zurückgeblieben sind die zahlreich hier wohnenden
Deutschen, soweit sie nicht mitgeschleppt worden sind. Meist sind
sie interniert gewesen und haben in Zuchthäusern viel leiden
müssen. In 8 Tagen ist Weihnachten, das wird ein trübes
Fest werden. Kein Paket, kein Brief, vielleicht nicht einmal ein
Baum, da hier weit und breit keine Tannen zu finden sind. Für
unsere Leute haben wir auch nichts, alle Verkehrsmittel sind derartig
in Anspruch genommen, daß an Nachführung von Paketen
nicht zu denken ist. Seit 3 Wochen habe ich keinen Brief.-"
3.
Februar 1917
Von Hans
(Erbslöh) waren am 21. ds. gute Nachrichten
aus Buzan eingetroffen. Er hofft sehr auf Urlaub in der nächsten
Zeit, wird aber für die Reise nach Eisenach 8 Tage aufwenden
müssen - eine harte Geduldsprobe.
31.
März 1917
Am 15.
ds. hat Hans (Erbslöh) seine Martha
heimgeführt und die Hochzeit ist in Eisenach fröhlich gefeiert
worden. Dem jungen Paare sind von allen Seiten herzliche Glückwünsche,
daß ihm nach baldigem Frieden ein langes reiches Eheglück
beschieden sein möge, gewidmet worden. Hans hatte 4 Wochen Urlaub,
von denen die „Neuvermählten" 14 Tage in München und Umgegend
zubringen wollten.
19.
April 1917
Hans
Erbslöh ließ vor seiner Abreise nach Rumänien,
die am 7. ds. erfolgte, noch „allen lieben Verwandten" für die
Glückwünsche, mit denen das junge Ehepaar bedacht wurde,
vielen Dank sagen. Er schied mit der stillen Hoffnung, daß der
nächste Urlaub ein dauernder sein werde. Seine Martha hat die
Tätigkeit Fridas, die mit ihrem Wolfgang nach Lichterfelde übergesiedelt
ist, bei den Kriegerfamilien übernommen. „Tante Johanna" hat
ihr altes liebes Heim aufgegeben und wohnt jetzt Barfüßerstr.
24.
30.
Juni 1917
Hans
(Erbslöh) schreibt aus Buzan im Juni 1917:
„Nun bin ich also wieder in Buzan für viele Wochen und sitze
nicht nur in unserem früheren Zweigetappengebäude, sondern
sogar in demselben Zimmer, in dem ich damals schon arbeitete. Hier
bin ich als Gerichtsoffizier tätig, bearbeite außerdem
die Personalien der Offiziere, die Anforderung der Kolonnen an Bekleidung,
Ausrüstung etc. und -- die Ordensverleihungen. Nicht die Gerichtssachen
nehmen mich so in Anspruch, sondern die Personalien der Offiziere
machen viel Arbeit, denn uns unterstehen ca. 150 Offiziere. Abwechslungsreich
ist aber meine Tätigkeit hier, weit interessanter auch als beim
Staffelstab.
Vor dem Abendessen, was erst ¼ 9 Uhr beginnt, gehe ich meist ein halbes
Stündchen spazieren. das ist die einzige Zeit, in der ich mal
frische Luft schnappen kann. Viele mir noch unbekannte Straßen
und Plätze lerne ich dadurch kennen und bin nur immer wieder
von neuem erstaunt, wie ausgedehnt Buzan ist. In der Peripherie der
Stadt hat jedes Häuschen seinen Garten, was jetzt im Sommer natürlich
einen sehr freundlichen Eindruck macht. Im Winter sah es hier schauerlich
aus. Wieviel ist aber auch für Ordnung und Reinlichkeit getan
worden!
Gestern war auch der große Tag, an dem der Generalfeldmarschall
v. Mackensen uns seinen Besuch abstattete. Die Stadt war festlich
geschmückt und jede Behörde hatte sich nach Kräften
bemüht, die Dienstgebäude mit einer schwarz-weiß-roten
Fahne zu zieren.. Wer noch keine Fahne hatte, war übel dran,
denn es ist riesig schwierig hier den nötigen Stoff zu beschaffen;
selbst eine nach Bukarest entsandte Einkaufskommission kehrte fast
unverrichteter Sache wieder zurück. Unsere Fahne z. B. war aus
Folgendem zusammengestückelt: einer alten schwarzseidenen Bluse,
einer weißen Drillichhose und einem roten Unterrock, was aber
aus der Entfernung ganz gut wirkte. Der Feldmarschall fuhr zunächst
nach dem Gestüt des Ministers Marghiloman und dann ins Gebirge
nach Nehoin. Wir erwarteten ihn gegen 8 Uhr im Kasino der Inspektion,
doch kam er erst erheblich später. Ich war als „Abordnung" unseres
Kasinos mit noch drei anderen Herren eingeladen, am Essen im Kasino
teilzunehmen. M. ließ sich zuerst einige Herren vorstellen,
dann ging's zum Essen. Ich saß mit den jüngeren Hauptleuten,
Oberleutn. und Leutnants im Nebenzimmer, konnte M. aber durch die
weit aufstehende Tür gut sehen. Er ist eine ganz glänzende
Erscheinung!
Dabei hatte er sich ganz schlicht angezogen: Bluse ohne Generalstickerei,
selbst an den Hosen fehlten die breiten Streifen. Als einzigen Ordensschmuck
hatte er den Stern zum schw. Adlerorden und das Großkreuz des
Eis. Kreuzes angelegt. Er war in ausgezeichneter Laune und lobte in
seiner Erwiderung auf die Begrüßungsansprache des Inspekteurs
die Etappe sehr. Fast jedem einzelnen Herrn trank er zu und schließlich
schickte er seinen Adjutanten zu uns, der sagte: „Meine Herren, der
Feldmarschall trinkt auf Ihr Wohl!" Nach dem Essen wurde stehend Kaffee
getrunken, während M. Cercle hielt. Ich stand dicht bei ihm und
konnte ihn gut beobachten. Plötzlich redete mich der Etappenpfarrer,
ein Geh. Consistorialrat Josephson an, und entpuppte sich als Barmer
Kind; guter Bekannter der Onkel und Tanten, der als Kind viel im großelterlichen
Hause verkehrt hatte.
Um 11 Uhr fuhr Mackensen nach Bukarest zurück, während wir
noch bei einem Glase Bier zusammen sitzen blieben."
10.
August 1917
Hans
(Erbslöh) ist noch immer in Buzan und wird voraussichtlich
auch noch Monate dort verbleiben. Es geht ihm gut trotz vieler Arbeit
und großer Hitze, die erst jetzt etwas nachgelassen hat.
27.
Oktober 1917
Über
Hans (Erbslöh) erfahre ich, daß er bis
Mitte voriger Woche einen vierwöchigen Urlaub in Eisenach zubrachte.
Jetzt befindet er sich wieder in Rumänien an der alten Stelle
in B.
22.
Dezember 1917
Von Eisenach
wird berichtet, daß Hans (Erbslöh) Anfang
November als Batterieführer an die Front versetzt wurde und jetzt
nördlich von Braila steht. Er hat
„die
Veränderung freudig begrüßt"
und
befindet sich sehr wohl. An der rumänischen Front fand er vollkommene
Ruhe vor.
13.
April 1918
Hans
Erbslöh wurde auf Reklamation der Verwaltung hin von
Rumänien zurückberufen und wird voraussichtlich zunächst
in Weimar tätig sein, wohin ihn seine Martha begleiten wird.
Seine neue Stellung als Bezirkskommissar in Neustadt a.d.Orla wird
er somit wohl erst später antreten.
15.
Mai 1918
Schon
wieder haben diese Briefe eine erschütternde Trauernachricht
zu überbringen. Unsere teure Schwägerin Johanna
(Erbslöh) ist nach kurzer Krankheit unserem lieben Bruder Albert
in die Ewigkeit gefolgt.
In voriger Woche wurde sie plötzlich von dem schweren Leiden,
welches sie vor 8 Jahren heimsuchte, das aber gänzlich aufgehoben
schien, wieder befallen. Eine von einem hervorragenden Arzte gleich
vorgenommene Operation hat den erhofften Erfolg nicht gehabt. Es trat
ein Schwächezustand ein und am 13. ds. abends 8 Uhr ist sie sanft
entschlafen.
Hans und Frida waren auf die Nachricht von ihrer Erkrankung aus Neustadt
und Gr. Lichterfelde nach Eisenach geeilt. Wie schwer sie und Hildegard
der Verlust der geliebten Mutter, die so ganz ihrem Wohlergehen lebte,
trifft, fühlen wir mit ihnen. Uns Alte erfüllt es mit tiefer
Wehmut im Angedenken an die lange Reihe von Jahren, in denen sie uns
in Freud' und Leid mit ihrem reichen heiteren Gemüte eine so
liebevolle, teilnehmende, von uns geliebte Schwägerin war, daß
wir sie nun entbehren müssen, und ihr Gedenken wird auch bei
ihren Nichten und Neffen, deren Ergehen sie mit soviel Teilnahme im
Frieden wie in der gegenwärtigen Kriegszeit verfolgte, als das
einer liebevollen, verehrten Tante fortleben. So wird denn unser Name,
der sich in Eisenach während 45 Jahren einen guten Klang erworben
und erhalten hat, dort erlöschen.
Die Beerdigung wird am Donnerstag, 5 Uhr vom Friedhof aus erfolgen.
13.
Juni 1918
Für
die vielen, ihnen aus unserem Verwandtenkreise zugegangenen Beweise
der Liebe und Teilnahme, bei dem Heimgang ihrer teuren Mutter, beauftragen
mich die Eisenacher Geschwister, ihren allerherzlichsten Dank auszusprechen.
Hans hat nach den schmerzlichen Eisenacher Tagen
wieder seine Tätigkeit als Bezirkskommissar in Neustadt a.d.Orla
aufgenommen. Frida hat sich nach einer Wohnung in Jena umgesehen und
wird voraussichtlich im Herbste dorthin mit Hildegard
übersiedeln. H. erwartete den Besuch von Curt Appelius auf Urlaub.
21.
Oktober 1918
Von Hans
(Erbslöh) und Frida (Scheibe) wird mir, mit der Bitte,
sie Euch bekanntzugeben, die erschütternde Nachricht, daß
Curt Appelius am 15. ds. in einem Feldlazarett infolge
einer Verwundung bei Cambrai gestorben ist.
Frida schreibt dazu u. d. 19. ds. aus Eisenach:
„Hilde erhielt am Donnerstag die telegrafische Nachricht, ohne von
einer Verwundung ihres Mannes zu wissen. Briefe, die darüber
berichten, trafen dann später ein. Curt hat in schwerem Kampfe
am 8. ds. die Führung der Kompagnie übernommen und wurde
durch Granatsplitter am Oberschenkel und Arm verwundet und scheint
starken Blutverlust gehabt zu haben. Nach dem Berichte vom Feldwebel
schien keine Lebensgefahr zu befürchten und Curt sollte nach
der Heimat transportiert werden. Nun ist es doch anders gekommen.
Wir hoffen jeden Tag, daß nähere Nachricht eintrifft. -
Ich bin gestern von Jena herübergefahren und kann leider nur
bis Mitte nächster Woche bleiben, da ich noch mitten im Umzuge
bin ..... ich hoffe später, wenn ich alles in Jena ins Geleise
gebracht habe, wieder nach hierher fahren zu können."
Tief betrübt beklagen wir Hildegards trauriges Schicksal, das
sie nach so kurzer Ehe in schwerer Zeit ihres teuren Gatten beraubt
hat und das sie nun mit ihrer Schwester teilt. Curts Andenken aber,
der nach heldenmütigem Kampfe als Führer einer Kompagnie
sein Leben dem Vaterlande zum Opfer gebracht hat, werden wir hoch
in Ehren halten. |