Die
„Lübbecker Nachrichten" berichten am 24.8.1967:
„80 Jahre alt. Espelkamp (ho). Bei guter Gesundheit kann heute
die Witwe Martha Erbslöh, geb. Appelius, wohnhaft
Rahdener Str. 7b, das 80. Lebensjahr vollenden. Zusammen mit ihrer
Schwester Johanna (74) verbringt die Jubilarin ihren Lebensabend.
Martha Erbslöh stammt aus Eisenach. Sie erlernte den Schwesternberuf,
in dem die Jubilarin bis zu ihrer Verheiratung mit dem Regierungsassessor
und späteren Regierungsrat Hans Erbslöh tätig war.
Ihren Wohnsitz hatte die Familie weiter in Eisenach. Aus der Ehe
gingen drei Kinder, ein Sohn und zwei Töchter hervor. Der
Sohn, bereits verheiratet, starb im besten Mannesalter. Die Töchter
wohnen heute in Lüneburg und Bonn. Vier Enkelkinder gehören
zu den Nachkommen von Martha Erbslöh, deren Mann 1962 in
Eisenach im Alter von 83 Jahren verstarb. Zwei Jahre später
zog die Jubilarin mit ihrer Schwester nach Espelkamp, wo heute
auch ihre Schwiegertochter, die wieder verheiratet ist, wohnt."
(Anmerkung:
Der Artikel enthält einen Fehler: Ihr Mann verstarb 1963.
Im folgenden Jahr verzog Martha Erbslöh nach Espelkamp).
Martha Appelius, Tochter von Alfred und Therese Appelius, war
das erste von sechs Kindern. Als Älteste wurde sie von klein
auf von ihren jüngeren Geschwistern, die sie als Vorbild
betrachteten, respektiert. So entwickelte sie schon früh
Verantwortungsbewußtsein und sorgte von sich aus für
die Kleinen, obwohl im Hause Appelius genügend „Personal"
zur Verfügung stand. Nach vier Vorschuljahren kam Martha
in die „Höhere Töchterschule" am Theaterplatz in Eisenach,
die auch ihre Mutter schon besucht hatte, und die später,
als „Karolinenlyzeum-Reform-Realgymnasium für Mädchen",
ihre Töchter absolvierten.
Wenn auch die Lehrer wechselten, so verband doch die gemeinsame
Schule und mancherlei Erzählung drei Generationen. Schon
in der ersten Klasse gewann Martha Freundinnen, mit denen sie
bis ins hohe Alter in Verbindung blieb. Die Verbundenheit wurde
noch durch gegenseitige Patenschaften für die Kinder vertieft.
Enge Freundschaft hielt sie auch mit Hildegard Erbslöh (genannt
Pudel) aus dem Hause Albert Erbslöh.
Zwischen den Familien Appelius und Erbslöh bestand seit langen
Jahren enger Kontakt. Besuche von Haus zu Haus, gemeinsame Feste
und Pfingstausflüge in der Kutsche zum Picknick auf der Ottowaldswiese
gehörten zur Tradition. So kam es, daß die kleine Martha
beim ausgelassenen Spiel der insgesamt neun Kinder in Hans - dem
späteren Ehemann - ihren Beschützer fand. Auf das damals
übliche Jahr im Mädchenpensionat in Wernigerode/Harz
blickte Martha stets gern zurück, zumal sie auch in dieser
Zeit Freundinnen fürs Leben gewonnen hatte. Da eine Berufsausbildung
für Mädchen früher nicht allgemein üblich
war, sie sich aber gern weiterbilden wollte, nahm sie außer
dem obligaten Klavierunterricht, Mal- und Nähkursen, auch
Stenographie und Schreibmaschinenstunden.
In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg, in denen ihr Vater, Alfred
Appelius, - wie auch schon Jahrzehnte vorher ihr Großvater
Julius Appelius - das Amt des Landtagspräsidenten im Großherzogtum
Sachsen-Weimar-Eisenach inne hatte, begleitete sie den Vater nach
Weimar, tippte seine Reden und führte bei den Sitzungen für
ihn Protokoll. Trotz verantwortungsvoller Aufgaben und gesellschaftlicher
Vergnügungen füllte sie das Leben als „höhere Tochter"
nicht mehr aus, und sie begann in Frankfurt ihre Ausbildung als
Kinderschwester, an die sich die „Große Krankenpflege" anschloß.
Im März 1913 legte sie ihr Examen ab.
Im Weltkrieg arbeitete Martha als Stationsschwester im Lazarett
in Frankfurt/Main. 1916 verlobte sie sich mit Hans Erbslöh.
Bis es im März 1917 zur Kriegstrauung kam, mußten noch
mancherlei Schwierigkeiten überwunden werden. So wurde ihrem
Bräutigam, der als Offizier im Felde stand, zweimal der beantragte
Hochzeitsurlaub gestrichen, und die bereits vorbereitete Haustrauung,
dem Pfarrer und den Gästen mußte kurzfristig abgesagt
werden.
Die ersten Ehejahre verbrachte das Paar in Neustadt/Orla. Durch
Nachkriegsnöte und Inflation war das tägliche Leben
sehr erschwert, zumal in diese Zeit die Geburt der ersten Tochter,
Marie-Luise, fiel. Da bewährte sich der praktische Sinn,
der Optimismus und die Kontaktfreudigkeit der jungen Frau. Sie
verstand es, Ziegenmilch für den Säugling zu beschaffen,
Kohlrübentorten zu backen, aus Stoff- und Wollresten Kinderkleidung
zu zaubern und ihrem überaus korrekten und jeglicher Unregelmäßigkeit
abholden Gatten, unbemerkt „Schwarzgeschlachtetes" vorzusetzen.
1921 siedelte die Familie nach Eisenach über, anfangs in
ein kleines gemietetes Haus in der Moltkestraße 9 und nach
dem Tode der Großmutter Luise Appelius ins Elternhaus, Luisenstraße
2-4. Im Jahr 1921 war der Sohn Günther und 1924 die Tochter
Irmgard geboren worden. Wie Martha es schaffte, trotz oft angegriffener
Gesundheit, nicht nur den drei lebhaften Kindern eine liebevolle
Mutter zu sein, stets die Ruhe zu bewahren, sondern auch immer
Zeit, ein offenes Ohr und Verständnis für die Sorgen
und Freuden der Nachbarn und Freunde zu haben, ist allen, die
sie kannten, ein Rätsel geblieben (Siehe Nachruf im Familienbericht
1968).
Zu ihren häuslichen Pflichten kamen ehrenamtliche Tätigkeiten
im Deutsch-Evangelischen Frauenbund, der Frauenschaft, als Mitglied
der Prüfungskommission für Hauswirtschaftliche Schulen
und Kindergärten. Besonders harte Belastungen brachte der
2. Weltkrieg, der das Haus bis in den Keller mit Flüchtlingen
und Umsiedlern füllte, und die Nachkriegszeit mit russischer
Einquartierung.
1946 vergrößerte sich der Familienkreis durch Schwiegersohn
und Schwiegertochter, die sie nicht nur ‚Mutter' nannten, denen
sie eine wahre Mutter war. Eine große Freude bedeutete für
sie die Geburt der Enkel. Sie waren für sie ein Trost bei
dem so frühen Tod ihres Sohnes Günther 1949. Sein Kind
Andreas nahm sie in ihre Obhut, während seine Mutter eine
neue berufliche Ausbildung begann. Nach dem Tod ihres Mannes Hans
1963 verließ Martha das Haus in der Luisenstraße,
in dem sie ihre Kinder- und Jugendzeit und später fast 40
Jahre verbracht hatte. So schwer ihr der Abschied fiel, so zufrieden
lebte sie, zusammen mit ihrer Schwester Johanna Appelius, bis
zu ihrem Tode 1968 in Espelkamp.
|